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Sport: Ullrich verlässt Coast

Aber noch ist der Radstar von Teameigner Dahms abhängig

Wie werden sie den Textilunternehmer Günther Dahms los? Vor diesem Problem stehen Radstar Jan Ullrich, seine ständigen Begleiter und der zur Übernahme von Dahms’ Coast-Team bereit stehende italienische Fahrrad-Fabrikant Bianchi. „Jan ist frustriert und will mit Herrn Dahms nichts mehr zu tun haben", sagt Ullrichs Betreuer, der Noch-Sportdirektor Rudy Pevenage, nach den Zahlungsschwierigkeiten von Coast und der darauf folgenden Sperre des Teams durch den Weltverband. Ullrichs Manager Wolfgang Strohband hat ebenfalls mit dem unzuverlässigen Coast-Chef gebrochen: „Das Maß ist voll. Ein Team Coast mit Jan Ullrich gibt es nicht mehr“, sagte er am Mittwoch. Auch der bisherige Ko-Sponsor Bianchi löst sich vom Partner aus Essen. Bianchi-Sprecher Stefano Vigano sagte, die Firma wolle jetzt eine Mannschaft aufbauen, die dem CoastTeam nachfolgt. „Wir werden nicht mehr mit Coast und Herrn Dahms zusammenarbeiten“, sagte Vigano.

Die Frage bleibt, ob Bianchi ohne Einwilligung von Dahms rechtlich die Mannschaft übernehmen und etwa zur Tour de France schicken kann. „Dahms bleibt das Zünglein an der Waage“, sagte Olaf Ludwig, Mitglied im Gremium „Conseil Cyclisme Professionel“, das über alle relevanten Fragen im Profiradsport entscheidet und dem Weltverband zur Absegnung vorlegt. Der Fall sei „komplettes Neuland und sehr komplex“, räumte Ludwig ein. „Meines Wissens ist dafür im Reglement keine Vorgabe enthalten. Ohne Freigabe von Dahms dürfte die Übernahme schwierig werden“, sagte Ludwig. Das gelte auch dann, wenn dessen Betreibergesellschaft RSM, mit der alle Fahrer ihre Verträge geschlossen haben, vor der Insolvenz steht. „Da gibt es so viele offene rechtliche und finanzielle Fragen. Ohne Einvernehmen mit Dahms geht es nicht“, sagte Ludwig. Der Textilunternehmer aber sperrt sich, hat angekündigt „zu kämpfen“. Er will zumindest in irgendeiner Form und mit dem Namen Coast mit dabei bleiben.

Am kommenden Montag vergibt Tour-Generaldirektor Jean-Maire Leblanc die vier „Wild cards“ für die hundertjährige Tour de France. Für den Tour-Chef wäre es gut zu wissen, für welchen Arbeitgeber Jan Ullrich, den er unbedingt als Rivalen Lance Armstrongs bei der Jubiläumstour dabei haben möchte, künftig fahren wird. Wenn er nicht mehr für Coast fährt, das auf unbestimmte Zeit keine Lizenz hat, aber durch seinen Weltranglistenstatus 2002 qualifiziert ist, für wen dann? Würde Bianchi automatisch den Platz von Coast einnehmen?

Die Fragen sind ungeklärt. Solo würde Ullrich sofort bei vielen Sportgruppen im Hinblick auf die Tour de France unterkommen. Doch dann müsste sich der Tour-Sieger von 1997 nicht nur von Günther Dahms trennen, sondern auch von seinem Umfeld. Will er das?

Hartmut Scherzer

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