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Sport: Um das giftgrüne Jackett

Das US Masters der Profigolfer beginnt heute wieder als Gesamtkunstwerk – mit den Spielern als Staffage

Das Tor ist geöffnet, einmal im Jahr, eine Woche lang im April. Versteckt weist die kleine Tafel am Eingang auf den Augusta National Golf Club an der stark befahrenen Washington Road in Augusta/Georgia hin. Dahinter verbirgt sich der wohl exklusivste Golfklub der Welt, fast ein geheimnisvoller Zirkel, berühmt für seine Regularien und Traditionen. Einblick gewährt wird allein während des US Masters, dem ersten von vier Major-Turnieren des Jahres, für viele Profis die wichtigste Veranstaltung einer jeden Saison.

Das Schöne daran: Bei keinem anderen Turnier gibt es einen ähnlichen Wiedererkennungseffekt wie hier. Schon deshalb, weil es das einzige Major-Turnier ist, das alljährlich zur gleichen Zeit am gleichen Fleck stattfindet. Die Amerikaner nennen so etwas „Homecoming“. In diesem Fall, weil es fast immer dieselben Golffans sind, die Jahr für Jahr das Turnier verfolgen können. Das Turnier ist seit 1972 ausverkauft, Tickets sind nur auf dem schwarzen Markt zu haben. Die 40 000 Glücklichen, die sie erhalten, zahlen für die Wochenkarte nur 175 Dollar – auf dem Schwarzmarkt verkauft sie sich für etwa 6000. Letzteres ist eine nicht ganz ungefährliche Aktion, weil die Agenten des Augusta National Golf Clubs unlauteren Verkäufern stets hinterher sind. Wer auf frischer Tat ertappt wird, bleibt fortan von der Ticketliste gestrichen.

Augusta National hat mit auffälligen Personen nie viel Federlesens gemacht. Das trifft auch auf die eigenen Mitglieder zu, die beim kleinsten Fauxpas die nächste Jahresabrechnung nicht erhalten, was den Rausschmiss bedeutet. Es sind Regularien wie diese, die der Klub seit seiner Gründung 1931 zelebriert. Bobby Jones, der einzige Golfer, dem bis heute der Gewinn aller vier Majors in einem Jahr gelang, hat den Platz zusammen mit dem Australier Alister Mackenzie geplant. Er ist noch heute Ehrenpräsident – auch wenn er seit mehr als 30 Jahren tot ist. Jones hat dem Klub seine Vorstellungen aufgedrückt wie kein anderer. Was Bobby wohl darüber denken würde? Das ist die alles beherrschende Frage, die Augusta-National-Mitglieder bewegt. Der Erkennungswert der Herren des Klubs und der Turniersieger ist insofern sehr hoch, als sie allesamt ein giftgrünes Jackett aus einem wenig hochwertigen Stoff tragen. Über die Qualität des Materials kann man in diesem Fall hinwegsehen – es ist schließlich das begehrteste Kleidungsstück im Golfsport.

Manchmal möchte man meinen, auch die Spieler seien nur Staffage in diesem Theaterstück „Masters“ – trotz der 1,2 Millionen Dollar für den Sieger aus der Gesamtdotierung von 6,5 Millionen. Natürlich gibt es gewisse Qualifikationskriterien. Diesmal werden 88 Profis und vier Amateure an den Abschlag gehen. Der zweimalige Sieger Bernhard Langer aus Anhausen befindet sich beim 69. Masters von heute an wieder darunter. Seine Chance scheint diesmal schon deshalb geschrumpft, weil auch Tiger Woods in neuer Hochform an den Start geht. Der 29-jährige US-Amerikaner ist der bis dato einzige Spieler in der Turnier-Geschichte, der die Mitglieder dazu bewegt hat, auf sein Golfspiel zu reagieren. Zwar verwehrt man sich gegen die Behauptung, den Platz in den vergangenen knapp zehn Jahren „Tigerproofed“ gestaltet zu haben, letztlich ist aber genau dieses passiert. Seit Woods Rekordergebnis von 272 Schlägen aus dem Jahr 1997 wurden nicht nur viele Bahnen verlängert. Eine höhere Grasschicht am Rande der Spielbahnen, das so genannte Rough, kam seinem Spiel ab 1999 sehr entgegen.

Andernorts mögen derartige Änderungen als Nebensache betrachtet werden. Anders in Augusta National, wo die Hühnchen-Sandwiches seit Jahrzehnten den gleichen Senf enthalten, die Cola immer im grasgrünen Becher serviert wird, kein einziges Werbebanner zu sehen ist und CBS seit 50 Jahren die TV-Rechte erhält. Alles Faktoren, die das Bild Masters ergeben. Da könnte selbst eine neue Senfmarke einen Kratzer im Gesamtkunstwerk bedeuten.

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