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Sport: Um den Job geplaudert

Englands Nationaltrainer Eriksson muss gehen – aber erst nach der WM

Vermisst haben die Engländer an ihrem Nationaltrainer immer die Leidenschaft. Nicht die für Geld, für schnelle Autos oder für den gelegentlichen Seitensprung. Diese Leidenschaften haben dem Sven-Göran Eriksson, der wie ein Buchhalter aussieht, einen Dauerplatz in den Boulevardzeitungen verschafft. Der Schwede wurde aber immer als jemand wahrgenommen, dem die Leidenschaft für den englischen Fußball fehlt.

Für viele Fans war Eriksson nie mehr als ein Söldner, trotz einiger in Erinnerung bleibender Siege wie dem 5:1 gegen Deutschland in der Qualifikation für die WM 2002. Man sah ja, wie unbeteiligt er am Spielfeldrand saß. Ein Ausländer, der wegen des Geldes kam. Jetzt lassen sie es sich in England Millionen kosten, den 57-Jährigen wegen der so genannten „Scheich-Affäre“ wieder loszuwerden. Vorzeitig. Aber nicht sofort, sondern erst nachdem er, hoffentlich, im Juli in Deutschland die Weltmeisterschaft für England gewonnen hat. „Dies geschieht zum Wohle aller, die mit dem englischen Fußball verbunden sind, vor allem der Fans“, heißt es in einer Erklärung des englischen Fußballverbandes FA. „Sven ist eindeutig der Mann, der uns in Deutschland führt“, sagte FA-Präsident Brian Barwick. „Ich weiß, die Spieler stehen hinter mir“, glaubt Eriksson.

Vor dieser Entscheidung war im Hauptquartier des FA in Soho in London lange beraten worden. Auf der Tagesordnung stand die „Scheich-Affäre“ – Erikssons unbedachte Äußerungen gegenüber einem als Scheich getarnten Zeitungsreporter. Der Schwede sprach mit dem angeblichen Scheich freimütig über englische Spieler, Korruption in englischen Klubs und seine Absicht, seinen Job ohnehin nach der WM vorzeitig aufzugeben.

Der „Scheich“ war der auch schon bei anderen Prominenten mit dieser Tarnung erfolgreiche Reporter Mazher Mahmood von der Zeitung „News of the World“. Er gab Anfang Januar vor, einen englischen Klub kaufen zu wollen und lud Eriksson nach Dubai ins Burj Al Arab Hotel ein, wo eine Übernachtung mehr als 1000 Euro kostet. Hilfreich schlug Eriksson den Verein Aston Villa vor – und sich als Trainer. Er würde auch seinen Freund David Beckham mitbringen, der bei Real Madrid „so oder so unglücklich“ sei. Sieben Millionen Gehalt wollte Eriksson – so viel wie José Mourinho beim FC Chelsea bekommt.

Eriksson plauderte in Dubai bei einem Ausflug mit einer Luxusyacht und einem Dinner mit Champagner auch über andere englische Nationalspieler. Wayne Rooney sei „launisch“, Michael Owen „unglücklich in Newcastle“, Rio Ferdinand „faul“. Den Fans kam das unpatriotisch vor, aber viel Aufsehen erregender waren die Behauptungen, die erst an diesem Wochenende in der Zeitung standen: Die englische Premier League sei von Filz und Korruption durchsetzt. Eriksson nannte drei Klubs, in denen von Transfersummen Geld für die Manager abgezweigt worden sei. Die Premier League, die sich gern als am besten gemanagte Liga der Welt darstellt, leitete wegen dieser Behauptungen gestern eine Untersuchung ein, obwohl Eriksson diese Äußerungen bestreitet. Er räumte nur ein, mit dem angeblichen Scheich über den Wechsel zu einem Erstligaverein verhandelt zu haben. Alles andere sei „reine Fantasie“.

Auf einer Pressekonferenz am Dienstag sagte Eriksson nun über die Affäre, das sei „vielleicht eine Geschichte zu viel aus meinem Privatleben gewesen“. Die Verhandlungen mit dem Fußballverband über die vorzeitige Vertragsauflösung hatten am Tag zuvor sieben Stunden gedauert. Eriksson ist ein zäher Verhandlungspartner. Er verdient umgerechnet 5,8 Millionen Euro pro Jahr, der Vertrag läuft bis 2008. Rund sieben Millionen Euro wird die vorzeitige Vertragsauflösung kosten.

Seit gestern werden Wetten auf den neuen Nationaltrainer angenommen. Auch Ottmar Hitzfeld und der Holländer Guus Hiddink werden als Kandidaten genannt – aber es ist eher unwahrscheinlich, dass sich der englische Fußballverband FA noch einmal auf einen Ausländer einlässt.

Erst einmal ist Eriksson noch ein halbes Jahr im Amt. „Wir wollen die WM gewinnen und haben auch eine gute Chance, Weltmeister zu werden“, sagte der Schwede gestern. Die wichtige Unterstützung der Vereine für die WM-Vorbereitung hat er sich allerdings verscherzt.

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