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Sport: Unbedingt lernwillig

Thomas Hitzlsperger hat Probleme mit seiner neuen Position in der Abwehr – aber er arbeitet daran, sie zu lösen

Am Wochenende hat eine Boulevardzeitung den Bildungshunger von Thomas Hitzlsperger noch ein bisschen größer gemacht, als er ohnehin schon ist. In einer kleinen Notiz war zu lesen, dass der deutsche Fußball-Nationalspieler eigens in die Dominikanische Republik geflogen sei, um dort seiner Freundin zuliebe einen Salsa-Kurs zu besuchen. Ganz so ist es nicht gewesen. Hitzlspergers Freundin hat im Urlaub einen Tanzkurs belegt, „und ich hab ihretwegen mitgetanzt“. Die Geschichte in ihrer boulevardesken Zuspitzung ist aber auch deshalb so schön, weil sie den 23-Jährigen und seine Berufsauffassung so treffend illustriert. Anders als die meisten Fußballprofis in seinem Alter hält sich Thomas Hitzlsperger selbst als Nationalspieler noch nicht für fertig ausgebildet. Wo andere sich selbstzufrieden zurücklehnen, fragt er sich: „Wie werde ich ein besserer Spieler?“

Diese Einstellung zieht sich durch seine gesamte Karriere. Als Hitzlsperger in England gemerkt hat, dass er von vielen Gegenspielern überlaufen wird, engagierte er einen privaten Sprinttrainer, um seine Schnelligkeit zu verbessern. Qualität ist lernbar. Und weil Hitzlsperger das ähnlich sieht wie Bundestrainer Jürgen Klinsmann, passt er bestens in die aktuelle Nationalmannschaft, die so wenige fertige Spieler in ihren Reihen hat wie vielleicht nie zuvor. Keiner der deutschen Nationalspieler hat seine Karriere auch so zielstrebig geplant wie Hitzlsperger. Er war 18, als er allein der besseren sportlichen Perspektive wegen aus der Jugend des FC Bayern München zu Aston Villa wechselte. Hitzlsperger wollte nicht riskieren, dass es ihm ergeht wie so vielen anderen Talenten, die bei den anspruchsvollen Bayern nie eine Chance bekamen. Heute sagt er: „Ich bin mit der Entscheidung sehr zufrieden.“

Trotzdem kehrt Hitzlsperger nun ein Jahr vor der Weltmeisterschaft nach Deutschland zurück. Der Wechsel zum VfB Stuttgart war genauso vom Verstand geleitet wie einst der Entschluss, nach England zu gehen. Diese Abwägung der eigenen Möglichkeiten unterscheidet ihn von seinem Kollegen Robert Huth, der ebenfalls seit der Jugend in England spielt. Huth will um jeden Preis beim FC Chelsea bleiben, selbst um den, dass er damit seine WM-Teilnahme aufs Spiel setzt. Hitzlsperger hingegen klettert gerade auf seine nächste Entwicklungsstufe. Beim VfB wird er einen Stammplatz bekommen und zum ersten Mal im Europapokal spielen.

Die Zielstrebigkeit lässt hoffen, dass sich Hitzlsperger auch noch in die bisher fremde Rolle bei der Nationalmannschaft einfindet. Jürgen Klinsmann hat den Mittelfeldspieler zuletzt als linken Außenverteidiger eingesetzt. Seit der A-Jugend hat Hitzlsperger auf dieser Position nicht mehr gespielt, und er hat ziemlich schnell erfahren, dass die Anforderungen bei den Profis ungleich höher sind. Klinsmann verlangt auch von den Außenverteidigern, dass sie stets die Offensive denken. Für Hitzlsperger war das neu: „Ich hatte lange den Eindruck: Man verteidigt, spielt den Ball ins Mittelfeld. Und das war’s.“

An manches muss er sich nach seiner Rückkehr nach Deutschland ohnehin erst noch gewöhnen, an die allgemeine Aufgeregtheit rund um die Nationalmannschaft zum Beispiel. „In England hast du wenig mit den Medien zu tun, deshalb bestehen wenige Reibungspunkte. Im Umfeld der Nationalmannschaft hingegen gibt es viel Kritik“, sagt Hitzlsperger. Nach dem 2:2 vor einer Woche gegen Russland hat er selbst die größte Ladung abbekommen, weil beide Gegentore über seine Seite eingeleitet worden waren. Es spricht für ihn, dass er sich trotzdem nicht über die ungewohnte Position beklagt, sondern daran arbeitet, besser zu werden. „Ich habe auch als Mittelfeldspieler Fehler gemacht. Jetzt sind es ein bisschen mehr. Aber je mehr Spiele ich mache, desto besser wird es.“

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