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Sport: Und dann geht es ab

Hockey-WM: Australien hat die beste Offensive, unterliegt aber Spanien 1:3

Im Grunde verdankt Andrew Meredith seinen Job einem weit verbreiteten Irrtum. Meredith ist Australier und als solcher beim Deutschen Hockey-Bund seit etwas mehr als einem Jahr für die Offensivschulung der Nationalspieler zuständig. Eine nahe liegende Entscheidung. Die Australier gelten im Hockey als Meister der Offensive, und im Fußball würde man für den Job des Techniktrainers wohl auch eher einen Brasilianer suchen als einen Norweger. Bernhard Peters, Trainer der deutschen Nationalmannschaft, sagt: „Alle Leute denken: Die Australier spielen eminent offensiv, aber bei Ballverlust ziehen sich alle Spieler sofort hinter den Ball zurück.“

Der Rest der Welt hat sich zuletzt schon fast ein bisschen gefürchtet vor diesen Australiern, die plötzlich auch Defensive konnten. Doch auch der große Favorit auf den WM-Titel ist fehlbar. Australien verlor gestern sein Auftaktmatch gegen Europameister Spanien 1:3 (0:2), weswegen das Turnier jetzt mindestens zwei Favoriten hat. Trotz der Niederlage der Australier ist es gut möglich, dass die Zuschauer in Mönchengladbach das Spiel zwischen den beiden zurzeit offensivstärksten Mannschaften der Welt noch einmal zu sehen bekommen: beim Finale am Sonntag in einer Woche. „Es war ein guter Test für uns“, sagte Australiens Kapitän Brent Livermore.

Normalerweise schießt seine Mannschaft einfach ein Tor mehr als der Gegner, und bei einer einigermaßen realistischen Chancenverwertung wäre das auch gegen Spanien möglich gewesen. Allein in der ersten Halbzeit hatten die Australier sechs große Chancen: Einmal knallte der Ball gegen den Pfosten, ein anderes Mal rollte er die Torlinie entlang, dann wieder, als der Torwart geschlagen war, rettete ein Abwehrspieler. Die Spanier hingegen kamen dreimal vor das australische Tor – und führten zur Pause 2:0.

„90 bis 95 Prozent unseres Spiels waren sehr gut“, sagte Australiens Trainer Barry Dance. In den entscheidenden Momenten des Spiels war seine Mannschaft es nicht. Die Statistik wies am Ende 16 Torschüsse der Australier aus – gegen sieben der Spanier. „Die Australier haben immer die meisten Schüsse aufs Tor“, sagt Andrew Meredith, der australische Offensivcoach des deutschen Teams. „Die Stürmer denken nicht nach. Sie schlagen einfach drauf los.“ Diese Mentalität versucht der 34-Jährige auch den manchmal etwas vorsichtigen Deutschen zu vermitteln. Bei den Australiern werde der Ball in der eigenen Defensive höchstens einmal hin- und hergepasst, „und dann geht es ab“.

Seit 20 Jahren, seitdem sie zum bisher einzigen Mal Weltmeister geworden sind, zählen die Australier zur Weltspitze. Trainer Dancer kann seinen Kader aus 25 nahezu gleich starken Spielern auswählen. „Die Australier sind immer gut, wenn sie kämpfen müssen“, sagt Meredith. Ihre größte Schwäche ist vielleicht, dass sie vor Ehrgeiz in unwichtigen Spielen manchmal zu viel Kraft lassen. Bei Olympia 2000 in Sydney wurde Australien in der Vorrunde souverän Gruppenerster, verlor aber im Halbfinale gegen Holland im Siebenmeterschießen.

Strukturell hat das australische Hockey ganz andere Voraussetzungen als das deutsche. Viele Nationalspieler können ihren Sport dank staatlicher Unterstützung unter Profibedingungen ausüben, entweder am Australian Institute of Sports in Perth oder an 15 vergleichbaren Einrichtungen der Bundesstaaten. Die deutschen Nationalspieler hingegen betreiben ihren Sport meist neben dem Studium – und hören auf, wenn sie ins Berufsleben wechseln, obwohl sie dann erst im besten Sportleralter sind. „Die Australier haben keinen akademischen Anspruch“, sagt Bernhard Peters. „Nach ihrer Karriere werden sie eben Surflehrer oder machen eine Kneipe auf.“ Andrew Meredith drückt es etwas anders aus: „Sie haben normale Jobs. Das ist das Opfer, das sie bringen, um für Australien zu spielen.“

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