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Sauer auf ihr Team. Die Ultras von Hertha BSC machten nach dem Spiel gegen Dortmund ihrem Ärger Luft.

© Matthias Koch/imago

Uneinigkeit bei den Fans: Pfiffe und Applaus für Hertha BSC

Die Ultras von Hertha BSC kritisieren ihr Team scharf und machen es für das Aus von Ante Covic verantwortlich. Andere Fans sehnen sich nach mehr Zusammenhalt.

Davie Selke guckte verdutzt in Richtung der Ostkurve. Als die Spieler von Hertha BSC am Samstag nach der fünften Niederlage in Serie vor ihre Fans traten, bot sich ihnen ein widersprüchliches Bild. In den oberen Reihen und in der Mitte der Ostkurve applaudierten einige Hertha-Fans ihrer Mannschaft zu. Sie bedankten sich für den Kampf, den ihre Mannschaft aller spielerischen Mängel zum Trotz an den Tag legte.

Aus den unteren Reihen, wo seit jeher die aktive Fanszene von Hertha steht, flogen dagegen vereinzelt Saftpackungen auf die blaue Tartanbahn. „Ihr könnt gleich weiter in die Kabine“, sagte einer der beiden Vorsänger über sein Mikrofon in Richtung der Mannschaft, die daraufhin begleitet von „Absteiger“-Rufen von dannen zog. Bereits vor Anpfiff wurde die Mannschaft über die Lautsprecher der Ostkurve als „seelenlos“ bezeichnet. Sie hätte nicht verstanden, worum es bei Hertha geht.

Bei den Hertha-Ultras entlädt sich der Frust

Bei den Ultras entlud sich nach der Niederlage gegen Dortmund der Frust. Vor allem den enttäuschenden Auftritt im Derby beim 1. FC Union haben große Teile der aktiven Fanszene dem Team noch nicht vergeben. „Niederlagen können passieren, aber solche blutleeren Auftritte wie beim Derby oder zuletzt gegen Augsburg sind unserem Verein unwürdig“, heißt es im Fanzine „Kurvenecho“, das die „Harlekins Berlin ’98“ zu den Heimspielen herausgeben. Die Leistung in Köpenick sei „eine Beleidigung gegen die eigenen Fans“ gewesen.

Die Ultras gehen dabei vor allem mit den Spielern hart ins Gericht. Sie machen sie hauptverantwortlich für die Entlassung von Vereinsurgestein Ante Covic, dem sie beim Spiel gegen Dortmund das Spruchband „Covic bleibt Herthaner“ und einige Sprechchöre widmeten. Eine Aktion, die auch bei den unorganisierten Fans sehr gut ankam.

Über den Trainingsbesuch vor dem Derby, bei dem rund 1700 Hertha-Fans ihre Mannschaft motivieren wollten, steht im „Kurvenecho“: „Richtige Leidenschaft spürte man eher von Trainer Ante Covic als vom Team, welches eher kleinlaut und irritiert wirkte.“ Vor dem Spiel gegen RB Leipzig bezeichnete ein Vorsänger die Mannschaft bereits als „Penner, die nicht verstanden haben, wie wichtig uns das Derby ist“.

Maxi Mittelstädts Torjubel nach dem anschließenden 1:0 gegen Leipzig wird im „Kurvenecho“ deshalb als „völlig überzogen“ eingeordnet. „Das verlorene und blutleer gespielte Derby macht man nicht mit einem Tor vergessen!“, heißt es weiter. Die 0:4-Niederlage in Augsburg tat der schlechten Stimmung ihr Übriges.

Hertha BSC ist derzeit schwer zu greifen

Viele andere Fans, die über die sozialen Netzwerke ihren Unmut für die Aktion der Ultras nach dem Dortmund-Spiel teilten, stören sich auch an den Auftritten ihres Teams. Für sie war der Zeitpunkt des Wegschickens der Mannschaft aber der falsche, sie hatten beim Spiel gegen Dortmund immerhin eine kämpferische Leistung erkannt und wollten dem Team Mut zusprechen.

Das fehlende Bestreben eines Miteinanders aus Mannschaft und Fans stört sie, aus dem Tabellenkeller komme man nur mit Zusammenhalt. Die schriftlichen Reaktionen reichten von „völlig unnötig“ bis: „Sowas bezeichnet sich als Fan. Vollidioten.“

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Die unterschiedlichen Sichtweisen verdeutlichen, wie schwer Hertha BSC sportlich zurzeit zu greifen ist. Trotz eines Kaders mit viel Potenzial, neuer finanzieller Möglichkeiten und großen Wünschen von Investor Lars Windhorst geht es darum, den tabellarischen Absturz zu stoppen. Eine kämpferische, im zweiten Durchgang aber einfallslose Halbzeit scheint einigen Fans aktuell zu reichen, anderen dagegen bei Weitem nicht.

Was man von der verunsicherten Mannschaft aktuell erwarten darf, darüber scheint es bei den Fans keine Einigkeit zu geben. Das Auswärtsspiel bei Eintracht Frankfurt (Freitag, 20.30 Uhr/live auf Dazn) wird weitere Antworten auf die vielen sportlichen Fragen liefern. Damit der gesamte Fanblock seiner Mannschaft wieder Applaus schenkt, braucht es wohl aber mehr als eine spielerische Steigerung. Es braucht vor allem Siege.

Louis Richter

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