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Sport: Ungewisse Zukunft

Lars Riedel (38) will eine Medaille – und dann?

Helsinki – Für die Verlängerung seiner Karriere hat sich Lars Riedel eine gute Zeit ausgesucht. Geschichten von reifen Sportlern, die sich gegen den Schwund ihrer körperlichen Kräfte wehren, sind gerade besonders modern. Birgit Fischer ist mit 42 Jahren Olympiasiegerin im Kanu geworden, da könnte Riedel doch heute mit 38 Jahren auch eine WM-Medaille im Diskuswerfen gewinnen. Gestern jedenfalls warf er in der Qualifikation mit 66,22 Metern deutsche Jahresbestleistung.

Der erste Sieg bei der WM in Helsinki für ihn ist aber, dass er überhaupt dabei ist. Schmerzen im Rücken und in der Brust hatten ihm das Werfen in den vergangenen Wochen manchmal zur Qual gemacht. Erst am Freitag vor einer Woche hat Riedel entschieden, überhaupt nach Finnland zu fahren, nachdem er beim Werfercup in Schönebeck auf 65,86 Meter gekommen war. Die Bundestrainer hätten ihn auf jeden Fall mitgenommen, aber Riedel wollte nur in guter Verfassung teilnehmen. Einen Wurf über 65 Meter hatte er zur Bedingung gemacht.

Sein letzter großer Sieg liegt nun schon vier Jahre zurück, 2001 war er Weltmeister geworden. Bei den Olympischen Spielen in Athen landete der Sachse dann nur auf Rang sieben. Das nahm er jedoch nicht zum Anlass, um über sein Karriereende nachzudenken.

Viele Jahre lang hatte ihn sein Körper in Ruhe werfen lassen. Er sagte einmal: „Ich gehöre zu den wenigen glücklichen Hochleistungssportlern, die im hohen Alter noch schmerzfrei aus dem Bett steigen können.“ Aber seit einiger Zeit sind die Schmerzen da. Doch er hat es noch einmal geschafft, der Olympiasieger und fünfmalige Weltmeister. Man darf ihm unterstellen, dass ihn nicht nur die Leidenschaft für das Diskuswerfen antreibt. Es ist auch die Gewissheit, nach dem Sport kein solch bedeutendes Berufsleben wie jetzt zu haben. Und es ist die Ungewissheit, was überhaupt nach dem Sport kommen soll.

Seit Riedel 1996 seine Beschäftigung bei einer Krankenkasse aufgegeben hat, ist er Berufs-Diskuswerfer. Sein Auskommen wird jedoch geringer. Sein Winter-Trainingslager in Portugal musste er selbst finanzieren, weil er keinen Hauptsponsor mehr hat. Der Vertrag mit seinem Klub LAC Chemnitz läuft Ende 2005 aus. Trotzdem möchte er ein Jahr dranhängen. Vom Leben danach hat er bisher nur die Vorstellung, dass er als Berater einer Firma arbeiten könnte, die mit Sport und gesunder Ernährung zu tun hat.

Doch jetzt zählt nur eine Medaille. Wenn er die noch einmal holt, dann vielleicht, weil er zwei Kräfte beim Werfen vereint hat: Leidenschaft und Verzweiflung.

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