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Sport: Ungnädige Schlossherren

Brasiliens Fußballstars fühlen sich in ihrem Quartier in Bensberg nicht wohl – es ist zu wenig los dort

Wer hier steht, vergisst für einen Moment die Außenwelt. Schloss Hotel Lerbach – nur ein Steinwurf außerhalb von Bensberg, einem Stadtteil Bergisch Gladbachs, umsäumt von hohen Bäumen und grimmig dreinschauendem Sicherheitspersonal. Das ist eine eigene, kleine Welt – und jetzt die der brasilianischen Nationalmannschaft. Ronaldinho lächelt verlegen, als er all die Reporter sieht, die auf ihn im idyllischen Garten unter den vier riesigen dunkelgrünen Sonnenschirmen warten. Der Weltfußballer 2004 kommt trotzdem über die mächtige Steintreppe nach unten. Er lächelt unter seiner Baseballkappe hervor.

Er lächelt, weil die Fußball-Legende aus der Heimat, der große Pelé, ein Endspiel Brasilien gegen Deutschland bei der WM 2006 vorausgesagt hat. Ronaldinho zuckt mit den Schultern. „Ich hoffe, es ist so. Ich habe jedenfalls vor, im Finale zu stehen und mit dem Pokal nach Hause zu fahren.“ Die Journalisten aus der Heimat haben die Vorräte an eisgekühlter Guarana längst getrunken. Guarana ist eine Frucht, die aussieht wie eine Kirsche und aus dem Amazonasgebiet kommt. Ein Stück Brasilien eben in Bergisch Gladbach, weit weg von daheim.

„Manche von uns spielen Samba“, sagt Ronaldinho. „Wir sind hier glücklich. Der Ärger wegen des Schlosses – das kommt nicht von uns.“ Es habe einen Aufstand gegen das zu ruhige Quartier gegeben, hatten Boulevardblätter berichtet. Brasilien würde sich ein anderes Quartier für die WM 2006 suchen. Die Bewerber stehen schon Schlange.

„Zwei Play-Stations, zwei Internetmöglichkeiten: Da haben manche schon enttäuscht geschaut“, erzählt Carlos Alberto Parreira, der Trainer. Jetzt sei alles in Ordnung. Sie haben neue Computer geordert, und der eigene Koch hat sogar Black Beans (schwarze Bohnen) dabei, ohne die es ihnen nirgendwo auf der Welt wirklich gefällt. Die feine Küche von Schloss Lerbach ist den Burschen, die in den besten Vereinen der Fußball-Welt spielen, ausgestattet mit den besten Verträgen, ziemlich egal.

Der Herthaner Gilberto sagt, er würde für dieses Schloss stimmen, wenn es um das WM-Quartier für 2006 geht. Intern, so wird berichtet, sehe das freilich anders aus. Die meisten würden viel lieber in einem Hotel in einer großen Stadt wie Köln residieren, Lerbach sei ihnen zu ruhig. Auch Bundestrainer Jürgen Klinsmann hat ja gegen heftige Widerstände dieses Schloss als Quartier für die WM 2006 abgelehnt – und sich durchgesetzt. Die deutsche Nationalmannschaft wohnt während der WM in Berlin.

Ronaldinho und sein Trainer interessieren sich jetzt aber erst einmal mehr für den nächsten Gegner, und zwar Griechenland (heute, 20.45 Uhr in Leipzig, live im ZDF). Es klingt nicht danach, als würden ihnen die Griechen und ihr Trainer Otto Rehhagel schlaflose Nächte bereiten. „Griechenland?“, fragt Ronaldinho etwas zu beiläufig. „Ja, da erinnere ich mich an hohe, weite Bälle.“ Parreira lobt die solide Verteidigung und die schnellen Konter des Kontrahenten. Er hat sie bei der Europameisterschaft 2004 in Portugal, als die Griechen den Titel gewannen, ausreichend studiert. „Wir werden uns eine Antwort einfallen lassen.“

Ze Roberto taucht an diesem Nachmittag nicht beim Empfang auf der Gartenterrasse auf. Der Bayer ist trotzdem ein Thema, weil er nun doch beim FC Bayern bleiben will. „Mein Herz schlägt für Deutschland. Ich will nicht weg. Bayern muss mir mit dem Angebot nur noch ein Stück entgegenkommen“, sagte Ze Roberto. AS Rom, Atletico Madrid und ZSKA Moskau hatten sich um den 30 Jahre alten Brasilianer bemüht.

Ronaldinho steht immer noch am Fuße der Treppe mit den klobigen Steinstufen. „Wir wollen die Fehler aus dem Spiel gegen Argentinien nicht noch einmal machen. Wir werden das schaffen", sagt er. 1:3 hatte Brasilien kürzlich in der WM-Qualifikation gegen Argentinien verloren. Ronaldinho lässt seinen Blick nochmal durch den malerischen Park von Schloss Lerbach schweifen, dann verabschiedet er sich mit den Worten: „Doch, doch, das Schloss ist völlig okay.“

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