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Sport: Ungültige Medaillen

Ein Rollstuhlrennen wird nach Stürzen wiederholt

Als um 20.17 Uhr Ortszeit im Pekinger Nationalstadion die Hymne „O’ Canada“ erklang, war die Sportwelt für Diane Roy noch in Ordnung. Die Rennrollstuhlfahrerin hatte gerade eine paralympische Goldmedaille erhalten und blickte gerührt der kanadischen Flagge nach, die ihrer Leistung zu Ehren in den wolkenverhangenen Himmel stieg. Anschließend rollte sie fröhlich winkend vom Podium – und erfuhr kurz darauf, dass die gesamte Siegerehrung ungültig gewesen ist.

Nach einem erfolgreichen Protest wegen eines Massensturzes auf der vorletzten Runde muss das Rennen der Schadensklasse 54 über 5000 Meter am Freitag neu gestartet werden. Die drei Erstplatzierten erlebten eine Siegerehrung, die nie hätte stattfinden dürfen. „So etwas ist unmoralisch“, empörte sich Roys kanadischer Trainer Jean Laroche gegenüber der Zeitung „Vancouver Sun“. Bereits vor und während der Medaillenübergabe verhandelte die Technische Kommission über drei korrekt eingereichte Proteste gegen die Rennwertung.

„Es mangelte an Kommunikation zwischen dem Technischen Informationszentrum, wo die Proteste eingegangen sind, und der Abteilung für die Medaillenzeremonie“, sagte Chris Cohen vom Internationalen Paralympischen Komitee (IPC). Er macht das Durcheinander nach dem Rennen für diesen Fehler verantwortlich. „Es dürften 15 oder 20 Trainer dort gewesen sein, die alle etwas erreichen wollten“, sagte Chris Cohen, „die Verantwortlichen des Informationszentrums haben beim Ablauf einen eindeutigen Fehler gemacht.“

Nach dem Massensturz konnten sechs der elf Teilnehmerinnen nicht mehr weiterfahren. Darunter waren die Siegerinnen der Spiele von Athen, Wakako Tsuchida aus Japan, Edith Hunkeler aus der Schweiz und die US-Amerikanerin Cheri Blauwet. Die Japanerin musste ins Krankenhaus eingeliefert werden, ihre Teilnahme am Wiederholungsrennen ist ungewiss. Sicherlich fehlen wird Edith Hunkeler, die als Verursacherin des Sturzes disqualifiziert worden ist. Diane Roy fuhr in diesem Moment auf der Außenbahn und konnte einen Sturz vermeiden. Australiens Verband protestierte anschließend erfolgreich, dass seine Athletin behindert worden sei.

Erstmals seit 1990 muss nun bei den Paralympics ein Rennen zum zweiten Mal gestartet werden. „Die Berufungskommission hat sich die Videobilder angesehen“, sagte Chris Cohen, „sie hat dabei die Schwere des Unfalls in Betracht gezogen und die große Zahl der Athleten, die benachteiligt worden sind und das Rennen nicht beenden konnten.“

Gestern sollten die drei Erstplatzierten ihre Medaillen zurückgeben. Bis zum Abend war nicht klar, ob sie das schon getan hatten. Der neue Termin am Freitag liegt für die Kanadierin Tracey Ferguson unglücklich, sie spielt bei den Paralympics auch Rollstuhlbasketball und muss wahrscheinlich einige Stunden später mit der kanadischen Nationalmannschaft ein Viertelfinalspiel bestreiten.

Die Zeitung „China Daily“ hatte Diane Roys vermeintlichem Sieg sogar einen Artikel gewidmet. „Die Krönung nach der Kollision“, lautet der Titel. „Ich war zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle“, sagt Roy dort über den Massensturz. Doch eine richtige Stelle gab es nicht.

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