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Das Logo sitzt, Celtic kann kommen. Die Umbaumaßnahmen am Stadion An der Alten Försterei sind abgeschlossen.

© dpa

Union Berlin und die neue Haupttribüne: Eine Hommage an Köpenick

An diesem Freitag weiht Union Berlin die neue Haupttribüne mit einem Spiel gegen Celtic Glasgow ein. Das fertiggestellte Stadion steht symbolisch für die antikommerzielle Haltung, die den 1. FC Union zur Marke macht.

Missmutig traten die Jungs ihren Weg an. Mit vollgepackten Kisten in den Händen liefen sie von den alten Containerbauten rüber in den rund 100 Meter entfernten Stadioninnenraum. Ringsherum lärmten die Baumaschinen, Staub flog durch die Sommerluft. Die langen Gesichter ließen darauf schließen, dass einige Junioren des 1. FC Union auf ihre Vormittagsbeschäftigung als Umzugshelfer wohl liebend gern verzichtet hätten. Daran war aber nicht zu denken, die Zeit drängte.

Bis zum Freitagabend wollen sie alles fertig haben beim 1. FC Union. Dann kommt Celtic Glasgow zur Einweihung der neuen Haupttribüne ins Stadion An der Alten Försterei (20.15 Uhr, live beim RBB). Der aktuelle Schottische Meister und ehemalige Europapokalsieger ist einer der prominentesten Gegner, die je in Berlin-Köpenick angetreten sind. Ein großer Klub mit ruhmreicher Vergangenheit, bekannt für seine stimmungsvollen Fans und das Kleeblattwappen als Markenzeichen. Ein aktueller Champions-League-Teilnehmer kommt zur großen Eröffnungsfeier in die Berliner Peripherie. Vor neun Jahren wäre das undenkbar gewesen. Damals war Union pleite und trat in der viertklassigen Oberliga an.

Mit der Fertigstellung der Haupttribüne beginnt für den 1. FC Union ein neues Zeitalter. Nicht nur die Gegner sollen dauerhaft attraktiver werden, auch die eigenen Ansprüche steigen. Der Verein strebt den Aufstieg in die Bundesliga an, mit dem neuen Stadion sind die strukturellen Voraussetzungen geschaffen. Oder wie Mannschaftskapitän Torsten Mattuschka es formuliert: „Wir springen baulich von der Kreisklasse in die Champions League.“

Architektonisch ist die neue Haupttribüne eine Hommage an den Berliner Stadtteil Köpenick. Die typischen Klinkerbauten der Industrialisierungszeit dienten als Vorlage, große Fenster und ockerfarbene Klinkersteine prägen den Bau. Die Fassade ähnelt damit der englischer Stadien. Nach dem Umbau finden nun 21.873 Zuschauer in der Alten Försterei Platz. Mehr als passabel für einen Zweitligisten. Sollte Union aber aufsteigen, wäre es mit großer Wahrscheinlichkeit das kleinste Stadion der Bundesliga. Kein Vergleich zu den Riesenarenen in München, Dortmund oder Gelsenkirchen. Ein paar mehr Zuschauer wären aus bautechnischer Sicht noch möglich gewesen, aber darauf verzichteten sie bewusst beim 1. FC Union. Die Gefahr möglicher leerer Plätze wollte Präsident Dirk Zingler meiden.

„Wir haben uns ein Stadion gebaut, das zu uns passt“

Eine Hommage an den Berliner Stadtteil Köpenick: Die typischen Klinkerbauten der Industrialisierungszeit dienten als Vorlage für die neue Haupttribüne, große Fenster und ockerfarbene Klinkersteine prägen den Bau.
Eine Hommage an den Berliner Stadtteil Köpenick: Die typischen Klinkerbauten der Industrialisierungszeit dienten als Vorlage für die neue Haupttribüne, große Fenster und ockerfarbene Klinkersteine prägen den Bau.

© Matthias Koch

Unions Verantwortliche gefallen sich in ihrer Rolle als Querdenker. Beim Berliner Zweitligisten gibt man sich bewusst gern anders. Nirgends wurde das so deutlich wie beim Stadionbau. Erstmalig machte der Verein vor fünf Jahren auf sich aufmerksam, als die Anhänger bei den dringend notwendigen Renovierungsarbeiten selbst Hand anlegten. Union verfügte damals nicht über die finanziellen Möglichkeiten, das Projekt zu stemmen, also sprangen die Fans ehrenamtlich ein. Selbst aus dem Ausland rückten Kamerateams an, um zu filmen, wie mehrere hundert Menschen bei Wind und Wetter ihre Freizeit opferten, um ihren Herzensverein tatkräftig zu unterstützen. Das kam überall an. Vor allem in der Fußball-Fanszene, die sich in Zeiten der Kommerzialisierung gern folkloristisch und puristisch gibt.

So wie es Dirk Zingler gern auch tut. Unions Präsident setzt sich leidenschaftlich für den Erhalt von Stehplätzen ein, seine Schreckgespenster sind Kommerz, Beliebigkeit, Eventisierung. Der Verein machte das geschickt zum Geschäftsmodell. Längst ist der 1. FC Union damit zur Marke geworden. Zur Marke derjenigen, die bewusst „Fußball pur genießen“ wollen, wie es im Unioner Sprachgebrauch heißt. Klatschpappen sind verpönt, genau wie „jene Bespaßungsprogramme, die nichts mit dem Spiel zu tun haben“. So hat es Pressesprecher Christian Arbeit einmal ausgedrückt. Köpenick ist mit dieser Haltung zu einem gallischen Dorf geworden, was den Fußball angeht und die Alte Försterei ist des Stadtteils Trutzburg.

Um sich vor externen Investoren zu schützen, schuf man die „An der Alten Försterei Stadionbetriebs AG“. Die Gründung der Aktiengesellschaft hatte zum Ziel, das Stadion in die Hände der Fans zu geben. Union veräußerte die Alte Försterei in Form von Aktien teilweise an seine Anhänger – ein deutschlandweit einmaliger Vorgang. Gravierende Umwälzungen, etwa eine Änderung des Stadionnamens, sind nun nicht mehr ohne Zustimmung der Anleger, sprich der Fans, möglich. Union nahm dadurch 3 Millionen Euro zusätzlich ein, die beim Bau der 15 Millionen Euro teuren Haupttribüne dringend benötigt wurden. Fürsprecher sahen in dem Vorgehen „das Modell der Zukunft“, Kritiker bemängelten Geschäftemacherei mit den Gefühlen der Fans.

„Wir haben uns einen Traum erfüllt und gezeigt, was eine Gemeinschaft, die auf Augenhöhe miteinander umgeht, erreichen kann. Und weil hier Unioner am Werk waren und alles selber gemacht haben, ist es so geworden, wie wir es uns gewünscht haben“, sagt Präsident Dirk Zingler. Ihm gefällt, dass sein Verein durch die Eigeninitiative beim Stadionbau als bodenständiger Arbeiterklub wahrgenommen wird. Beim 1. FC Union packen sie selber an, wenn es sein muss. Die eigenen Junioren wissen das nach den Umzugsstrapazen nur zu gut.

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