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Update

Unser Blog zum Bundesliga-Wochenende: Borussia Mönchengladbach: Gefährliche Tendenz

Außerdem: Wirbel um Schalkes Trainer Breitenreiter. Soll Alex Meier in die Nationalelf? Muss Stefan Effenberg um seinen Job fürchten? Was ist für Hertha BSC drin?

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Kräftezehrend und nervenaufreibend. Unter Lucien Favre hat sich das Spiel der Gladbacher durch „die totale Raumkontrolle“ (Spielverlagerung.de) ausgezeichnet. Favre ließ seine Mannschaft deutlich tiefer verteidigen, als es sein Nachfolger Schubert tut. Vor dem eigenen Strafraum formierte er zwei Viererkette, in deren engem Geflecht für den Gegner im Idealfall kein Durchkommen war, vor allem im Zentrum nicht. Die beiden Ketten haben sich weitgehend aufgelöst, und von der totalen Raumkontrolle war vor allem am Samstag gegen den - zugegeben extrem starken - BVB nichts mehr zu sehen. Auf „11freunde.de“ schreibt der schon weiter unten erwähnte Taktikexperte Tobias Escher über das Spiel der Gladbacher gegen Dortmund: „Oft liefen sie naiv nach vorne und vernachlässigten die Defensive. Schubert muss an der Balance arbeiten, wenn er seine Mannschaft erneut in die Champions League führen möchte.“

Das Gladbach-Portal Torfabrik.de ist der Meinung: „In Gladbach spielen sie mit dem Feuer.“ Denn: „Borussia hat aktuell ein Strukturproblem. Die Balance zwischen mutigem Offensivspiel und defensiver Stabilität passt nicht und es wird tendenziell eher schlechter als besser.“

Und die „Süddeutsche“ schreibt: „Schuberts Wirken scheint mittlerweile ein kleines bisschen entzaubert“ (...) Gladbach benötigt für die Rückrunde eine neue Stabilität, eine neue innere Haltung.“

Borussias Manager Max Eberl hat sich am Samstag, unmittelbar nach dem Spiel, noch gegen eine aufkommende Grundsatzdebatte zur Wehr gesetzt: „Es war keine Defensivschwäche und auch kein strukturelles Problem. Es waren individuelle Fehler, die man vermeiden muss.“ Neben Elvedis Stellungsfehler vor dem 0:1 waren damit vor allem die Ballverluste von Ibrahima Traoré im Dribbling gegen Mats Hummels und von Mahmoud Dahoud nach einer Ecke der Gladbacher gemeint, in deren Folge die weiteren beiden Gegentreffer fielen.

Aber kurz vor dem gegnerischen Strafraum (wie bei Dahoud) oder tief in der gegnerischen Hälfte muss man auch mal ein Dribbling wagen dürfen – ohne dass ein Ballverlust quasi automatisch ein Gegentor oder zumindest eine Großchance für den Gegner nach sich zieht. Bei Dahouds Fehler - wie gesagt, unmittelbar vor dem Dortmunder Strafraum - befanden sich nur noch zwei Gladbacher Spieler hinter dem Ball. Das spricht für eine bemerkenswerte Naivität und einen gefährlichen Leichtsinn, vor allem wenn man weiß, über welche Geschwindigkeitsvorteile die Dortmunder Angreifer Reus und Aubameyang verfügen. Auch Sportdirektor Eberl hat die Probleme am Montag schon ein wenig differenzierter betrachtet als noch am Spieltag. In einem Interview auf der Homepage der Borussia hat er gesagt: „Wenn man die Räume wie am Samstag zu groß werden lässt und sich solche Fehler erlaubt, wird man der Bundesliga nicht dauerhaft oben dabei sein können. Wir müssen die richtige Balance zwischen Defensive und Offensive finden, dann werden wir wieder erfolgreich sein.“

Grübel, grübel. Gladbachs Trainer Andre Schubert muss sich mit der fehlenden Balance seiner Mannschaft auseinandersetzen.
Grübel, grübel. Gladbachs Trainer Andre Schubert muss sich mit der fehlenden Balance seiner Mannschaft auseinandersetzen.

© dpa

Favre hatte seiner Mannschaft ein Gespür für die Gefahr eingebimst, von dem sie vor allem in Spielen gegen große Gegner oft profitiert hat. Dieses Gespür haben die Gladbacher gegen Dortmund komplett vermissen lassen. Favres ganze Arbeit basierte auf der Defensive; Andre Schubert ist eher ein Anhänger der Schule, dass es schöner ist, ein Tor mehr zu schießen denn ein Tor weniger zu kassieren als der Gegner. Unter ihm spielen den Gladbacher offensiver, sie ziehen sich bei Ballverlust nicht mehr wie unter Favre zwingend in die defensive Grundordnung mit den beiden Viererketten zurück, sondern versuchen durch Gegenpressing den Ball möglichst schnell und möglichst nah am gegnerischen Tor wieder in ihren Besitz zu bringen. Deswegen spielen auch die Außenverteidiger deutlich höher, die bei Favre erst ein Visum beantragen mussten, wenn sie die Mittellinie überschreiten wollten.

Bisher ist das nie so deutlich thematisiert worden, weil in Borussias Spiel unter Schubert immer noch eine Menge Favre steckt, der geplante und geduldige Aufbau mit viel Ballbesitz zum Beispiel: Aber im Grunde befindet sich die Mannschaft gerade mitten in einem Kulturwandel, der grundlegende Veränderungen nach sich ziehen wird. Ich würde sogar behaupten: Die aktuelle Hertha des ehemaligen Favre-Spielers Pal Dardai hat inzwischen mehr von der Favre-Borussia als das aktuelle Gladbacher Team selbst.

Borussias Spieler haben nach dem Trainerwechsel gesagt, dass ihnen die neue, die mutige und offensive Herangehensweise sehr entgegen komme, dass ihnen dieses Spiel außerordentlich viel Spaß bereite. Im Moment sieht es allerdings so aus, als müssten sie vor allem den Spaß am Verteidigen wiederentdecken. Denn auf Dauer ist es kraftzehrend und nervenaufreibend, immer ein Tor mehr schießen zu müssen als der Gegner. Vor allem - das lehrt die Erfahrung - endet es in der Regel eher auf Platz sieben als in der Champions League.

18 Gegentore in den letzten fünf Pflichtspielen

Mängel in der defensiven Organisation. Nach Wolfsburg und Schalke jetzt zum - immer noch - ersten Verfolger von Hertha BSC. Borussia Mönchengladbach hatte von allen Europapokal-Anwärtern am Wochenende die kniffligste Aufgabe zu lösen. Im Borussia-Park war der Tabellenzweite aus Dortmund zu Gast. Nach dem Hinspiel (4:0) entschied die westfälische Borussia auch das Rückspiel (3:1) für sich. Erneut bestand an der Berechtigung des Sieges kein Zweifel, doch diesmal war der Qualitätsunterschied nicht ganz so groß wie im Sommer. Es ist kein Geheimnis, dass die Gladbacher vor allem in der Offensive über genügend Qualität verfügen, um ebenfalls recht ansehnlichen Fußball zu spielen. Vor allem zu Beginn des Spiels war es durchaus bemerkenswert, wie sich die Mannschaft von Trainer Andre Schubert selbst aus dem Hardcore-Pressing des BVB spielerisch zu befreien wusste. „Die Dortmunder haben uns nicht an die Wand gespielt“, sagt Gladbachs Manager Max Eberl.

Man muss nach einer Niederlage gegen den Tabellenzweiten nicht gleich die Furcht vor dem Weltuntergang bemühen. Gegen Teams des Kalibers Dortmund, Bayern & Co. benötigen die Gladbacher trotz ihrer erfreulichen Entwicklung in den vergangenen fünf Jahren immer noch eine auf allen Ebenen herausragende Leistung. Dazu fehlten ihnen am Samstag wohl auch ein paar wichtige Spieler zu viel, in erster Linie der rotgesperrte Granit Xhaka als Organisator im Mittelfeld, aber auch ein gestandener Mann für die Innenverteidigung. In der standen wie schon im Hinspiel gegen Dortmund erneut zwei 19-Jährige, diesmal Andreas Christensen und Nico Elvedi.

Allen verständlichen Erklärungsansätzen zum Trotz lässt sich in den Spielen der Gladbacher, über die Winterpause hinaus, eine gefährliche Tendenz feststellen. Der Mannschaft ist die defensive Stabilität abhanden gekommen, die sie unter Trainer Lucien Favre so stark gemacht hat. In dieser Saison spielten die Gladbacher nur zwei Mal zu null, mit 33 Gegentoren stellen sie die zweitschlechteste Defensive der Liga. Und in den letzten fünf Pflichtspielen mussten sie sogar 18 Gegentore hinnehmen. Das ist weniger ein Versäumnis der letzten Reihe; die Gladbacher haben vielmehr ein Problem in der Gesamtorganisation, das von Trainer Schubert allerdings bewusst in Kauf genommen wird, weil er einen anderen Ansatz verfolgt als sein Vorgänger Favre.

Horst Heldt verteidigt Trainer André Breitenreiter

Meier für Deutschland? Kurzer Zwischenruf: Meine These dazu: Die Antwort auf die Frage, ob Alex Meier in die Nationalmannschaft soll, zeigt, ob jemand den modernen Fußball verstanden hat oder nicht.

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Heldt verteidigt Breitenreiter. Noch mal zurück zum FC Schalke. Die Suche nach einem neuen Innenverteidiger ist ein wenig ins Stocken geraten, weil sich Manager Horst Heldt „mit diesem Blödsinn“ beschäftigen musste. Also mit der von Sky verbreiteten Nachricht, dass sie beim FC Schalke nicht mehr besonders gut auf ihren Trainer André Breitenreiter zu sprechen sei. Siehe weiter unten. „Das ist völliger Wahnsinn und auch Schwachsinn“, sagte Heldt in einem von den Schalkern verbreiteten Interview. Breitenreiter mache einen ganz hervorragenden Job und habe maßgeblichen Anteil, „dass wir neuen Schwung bekommen haben“. Zum Vorwurf, es gebe Kritik aus der Mannschaft, sagte Heldt: „Ich will einen Trainer, der von sich überzeugt ist, der auch in der Lage ist, harte Entscheidungen zu treffen. Es macht keinen Sinn, einen Ja-Sager in vorderster Front zu haben. André führt die Mannschaft ganz hervorragend - und sie folgt ihm.“

Die Kritik an Trainer Breitenreiter? "Völliger Schwachsinn", sagt Schalkes Manager Horst Heldt (r.)
Die Kritik an Trainer Breitenreiter? "Völliger Schwachsinn", sagt Schalkes Manager Horst Heldt (r.)

© Imago

Danke, Klaus Allofs. Nachdem wir mit dem FC Schalke 04 einen Konkurrenten von Hertha BSC im Kampf um A) die Champions League B) die Europa League C) einen einstelligen Tabellenplatz (Zutreffendes bitte ankreuzen) abgefrühstückt haben, wäre jetzt der VfL Wolfsburg dran. Dessen Spiel bei Eintracht Frankfurt hat erstaunliche Parallelen zum Spiel der Schalker gegen Werder Bremen ausgewiesen, wobei die Wolfsburger Überlegenheit noch etwas größer war als die Schalker Überlegenheit gegen Bremen. Zur Pause wurden die Frankfurter von ihrem Publikum im ohnehin erstaunlich leeren Stadion mit wütenden Pfiffen verabschiedet. „Wie häufig in dieser Saison haben wir es nicht zu Ende gespielt“, sagte - nein, nicht Horst Heldt, sondern Klaus Allofs, der Sportdirektor der Wolfsburger, die jetzt, kaum zu glauben, die schlechteste Auswärtsbilanz aller 18 Bundesligisten aufweisen. Von neun Spielen in der Fremde hat der VfL ein einziges gewonnen.

Klaus Allofs hat nach dem Spiel im Interview bei Sky recht wortreich das Unerklärliche zu erklären versucht, die Schuld ausschließlich bei den eigenen Spielern gesucht, die zum wiederholten Male die Sache nicht anständig zu Ende gebracht hatten. Und was macht die Sky-Moderatorin? Versucht Allofs durch eine penetrant-peinliche Nachfrage doch noch zu einer Schiedsrichterschelte zu verleiten, weil vor dem Ausgleich der Frankfurter ein Foul am Wolfsburger Daniel Caligiuri ungeahndet geblieben war. Von wegen: Wir müssen das jetzt aber mal ansprechen. Grandios, wie Allofs auf diesen plumpen Versuch reagiert hat: „Lassen Sie uns damit aufhören! Das bringt jetzt nichts.“ Danke dafür.

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Kritik an Breitenreiter. Auch wenn der Fall Paderborn (siehe unten) eigentlich dazu mahnt, nicht alles zu glauben, was andere berichten: Hier ein weiteres Thema, das von einem anderen Medium aufgebracht wurde – und das vermutlich ebenfalls hitzige Reaktionen hervorrufen wird. Laut Sky soll es beim FC Schalke 04 um das interne Betriebsklima nicht besonders gut bestellt sein. „Intern kracht es ganz gewaltig“, behauptet der TV-Sender. Und daran soll vor allem Trainer André Breitenreiter Schuld sein, mit dem es zwischenmenschlich „das eine oder andere dicke Problem“ gebe.

Nach allem, was man hört und aus eigener Anschauung mitbekommt, überrascht mich das nicht. Für das, was Breitenreiter in seiner Karriere erreicht hat, wirkt er mir immer ein wenig zu großspurig. Der Aufstieg mit Paderborn (siehe unten) ist ohne Zweifel eine überragende Leistung gewesen - das hat vor ihm immerhin noch niemand geschafft; so zu tun, als wäre der Fast-Nicht-Abstieg mit den Paderbornern eine ebenso große Leistung gewesen, spricht jedoch eher für ein überzogenes Selbstbewusstsein. Breitenreiter macht - so zumindest mein Eindruck - gerne einen auf dicke Hose. Bei Schalkes Fans scheint die Art durchaus anzukommen, weil der Trainer sich volksnah und bodenständig gibt. Sein Output mit der Mannschaft ist aber, um es vorsichtig auszudrücken, ausbaufähig. Im Pokal ist Schalke schon in der zweiten Runde ausgeschieden (zu Hause gegen Mönchengladbach), in der Liga ist das Team aktuell Sechster. Schalke droht zum zweiten Mal hintereinander die Champions League zu verpassen.

Das tut weh. Breitenreiters Team verlor gegen den Tabellen-16. Bremen trotz 1:0-Führung noch 1:3.
Das tut weh. Breitenreiters Team verlor gegen den Tabellen-16. Bremen trotz 1:0-Führung noch 1:3.

© REUTERS

Am Sonntag gegen Bremen dominierte Breitenreiters Team die erste Hälfte, führte früh 1:0 - und verlor am Ende gegen den 16. der Tabelle 1:3. Torsten Wieland schreibt im "Königsblog": "Man hofft, dass die Mannschaft dem Gegner taktisch überlegen ist. Aber das war sie nicht." Und weiter: "Was bleibt ist Ernüchterung. Werder Bremen hat wirklich nichts Besonderes auf den Platz gebracht. Dass Schalke gegen einen so spielenden Gegner daheim verliert, ausgeruht, aus einer ausdauernden Vorbereitung kommend, auch noch nach guter Anfangsphase und früher Führung, ist einfach sehr enttäuschend." Tobias Escher, Autor des Taktikportals „Spielverlagerung.de“, hat schon während des Spiels getwittert: „Man kann’s nur wiederholen: Schalke fehlen die Mechanismen, ein Spiel nach einer Führung einfach abzuwürgen. Seien es Konter oder Ballbesitz.“ Diese Konzeptlosigkeit fällt auch oder vor allem auf den Trainer zurück.

Eine Diskussion über Breitenreiter ist trotzdem erst einmal nicht zu erwarten - weil der Trainer unter dem persönlichen Schutz des Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Tönnies steht. Der soll sich laut Sky im Sommer für Breitenreiter stark gemacht haben, während der für die sportlichen Belange zuständige Manager Horst Heldt lieber Sascha Lewandowski (inzwischen 1. FC Union Berlin) verpflichtet hätte.

Und damit wären wir beim eigentlichen Problem des FC Schalke angelangt. Wie soll ein Verein seriös geführt werden, wenn es ganz oben jemanden gibt, der nach Gutdünken in die Vereinspolitik eingreift? Nicht nur im Fall von John Anthony Brooks hat Heldt die unbedachten Aussagen seines Chefs wieder einfangen müssen. Dass sein Vertrag in Schalke nun nicht über den Sommer hinaus verlängert wird, sollte Heldt in seinem Lebenslauf unter „besondere Leistungen“ vermerken. Es dürfte seinem weiteren Fortkommen zumindest nicht im Wege stehen.

Ärger für Effenberg: Was ist in Paderborns Trainingslager passiert?

Feucht-trauriges Trainingslager? Ein kurzer Blick nach unten, in die Zweite Liga. Beim SC Paderborn scheint der große Knall bevorzustehen. Der Boulevard spekuliert sogar darüber, dass Stefan Effenberg, seit Oktober als Trainer im Amt, heute seinen Job verlieren könnte.

Der Grund soll eine eher unappetitliche Geschichte sein. Ein Spieler der Paderborner soll sich im Trainingslager in Belek vor einer Frau entblößt haben. Untenrum. Das Opfer dieser sexuellen Belästigung arbeitet bei der Agentur, die für die Paderborner das Trainingslager organisiert hat. Der angeblich Täter behauptet, seine Mannschafskollegen hätten ihm die Hose heruntergezogen, deswegen habe er kurzzeitig blank dagestanden. Die „Neue Westfälische“ berichtet von mehreren Zeugen des Vorfalls. Paderborns mächtiger Präsident Wilfried Finke hat daher bereits dekretiert, dass der betreffende Spieler nie wieder für den Verein auflaufen werde.

Das angebliche Opfer dementiert

Es gibt allerdings Zweifel daran, ob sich der Vorfall wirklich wie berichtet abgespielt hat. Die "Deutsche Presse-Agentur" hat die Agentur-Mitarbeiterin zu Wort kommen lassen: "Als ich gestern Morgen aufstand, wusste ich nicht, dass ich in der Nacht zum Samstag angeblich sexuell belästigt worden bin. Ich erfuhr es erst aus der Zeitung." Und weiter: "Sexuell belästigt worden, das sei hier noch einmal definitiv gesagt, bin ich zu keinem Zeitpunkt. Belästigt hat mich erst die falsche Berichterstattung. Davon, dass ein Paderborner Spieler eintrat, in zwei Metern Abstand an seiner Hose zog und sofort wieder ging, nahmen wir kaum Notiz", sagte sie. Sie habe mit anderen Spielern und dem Paderborner Zeugwart in der Hotel-Lobby gesessen.

Laut "Neuer Westfälischer" soll es im Trainingslager der Paderborner, die als Absteiger aus der Bundesliga gerade gegen den Abstieg aus der Zweiten Liga kämpfen, aber insgesamt ziemlich bunt zugegangen sein. Laut „Neuer Westfälischer“ hat es einen feucht-fröhlichen Mannschaftsabend gegeben, in dessen Verlauf einige Spieler die Idee verwirklicht haben, den Pool ihres Luxushotels mit herumstehenden Blumentöpfen zu verschönern. Spätestens damit wird es für Trainer Stefan Effenberg kritisch.

Ich habe als Reporter schon einige Trainingslager miterlebt. Und auch wenn wir Journalisten nur noch in den seltensten Fällen die Mannschaftshotels betreten dürfen, würde ich mal behaupten, dass alkoholbedingte Exzesse, die vor 20, 30 Jahren noch gang und gäbe waren, inzwischen nicht mehr vorkommen. Gemeinsame Besäufnisse als teambildende Maßnahme sind heutzutage - zumindest im Profifußball - ziemlich Old School. Sollten die Berichte der "Neuen Westfälischen" stimmen und Effenberg, der den geistigen Genüssen erwiesenermaßen auch nicht abhold ist, die Sache laufen lassen haben, so wirft kein gutes Licht auf ihn. Es würde vor allem zeigen, welcher Trainerschule er anhängt, einer ziemlich altmodischen.

Das Engagement in der ostwestfälischen Provinz sollte für ihn eigentlich der Beginn einer großen Trainerkarriere werden, jetzt könnte es im schlimmsten Fall so laufen, dass Paderborn die Endstation für den Trainer Effenberg wäre.

Da ist er wieder. Ein Hinweis in eigener Sache. Heute zum ersten Mal nach elend langer Zeit wieder bei uns im Blatt (und auch schon im Netz) unser Kolumnist Frank Lüdecke. Der Mann ist nebenberuflich Kabarettist und hauptberuflich Hertha-Fan (oder umgekehrt) und hat sich in seiner Kolumne "Auslaufen mit Lüdecke" überraschenderweise eines Vereins angenommen, der in der Hinrunde die große Überraschung der Fußball-Bundesliga war. (Kleiner Tipp: Es handelt sich nicht um Darmstadt 98.) Hier ein kurzer Auszug: „Ich habe mich in den letzten Wochen des Öfteren dabei ertappt, wenn Kommentatoren vom „Tabellendritten“ sprachen oder vom „Champions-League-Aspiranten“ – dass ich erst mit einer gewissen Verzögerung realisierte: Hey! Die meinen ja uns!“
Und hier der komplette Text.

Muss die Konkurrenz Hertha jetzt wirklich ernst nehmen? Die Berliner selbst glauben zumindest erste Indizien für eine gesteigerte Wertschätzung wahrgenommen zu haben. Dass zum Bespiel Clemens Tönnies, der geschwätzige Aufsichtsratsvorsitzende des FC Schalke 04, ausposaunt hat, sein Klub führe intensive Gespräche mit John Anthony Brooks, hat Herthas Manager Michael Preetz als „Versuch eines Störfeuers“ gedeutet. Sein Schalker Kollege Horst Heldt hat am Sonntag sogar zugegeben, dass sein Boss Tönnies da eine schöne Nebelkerze gezündet habe. Warum? Um die Konkurrenz nicht auf Serdar Tasci aufmerksam zu machen, der offensichtlich dazu auserkoren ist, die Personalprobleme der Schalker in der Abwehr zu beheben? Oder vielleicht doch, um größeren Schaden vom eigenen Klub abzuwenden, weil „intensive Gespräche“ mit Brooks im Moment ein klarer Verstoß gegen die Fifa-Regularien wären Da der Vertrag des Innenverteidigers mit Hertha noch bis Sommer 2017 läuft, dürfen ihn andere Vereine - ohne Zustimmung der Berliner - erst im Januar 2017 kontaktieren.

Hertha hat in der Hinrunde overperformed

Sieht Schalke Hertha BSC also schon als seriösen Widersacher im Kampf um einen Platz in der lukrativen Champions League? Sind die Chancen am Wochenende tatsächlich gestiegen? Ja und nein. Nein, weil - wie im Abstiegskampf - erst einmal uninteressant ist, was die Konkurrenz macht. Ja, weil es auf lange Sicht natürlich auch davon abhängen wird, ob die Konkurrenz konstant ihre Leistung wird abrufen können. Meine These: Wenn die üblichen Verdächtigen – Schalke, Wolfsburg, Gladbach, Leverkusen - in der Rückrunde ihr normales Punkteniveau erreichen, dürfte es für Hertha schwer werden, Platz drei zu behaupten.

Die Berliner - ich glaube, so weit sind sich alle einig - haben in der Hinrunde overperformed. (Spiegel online hat Hertha in einem interessanten Text sogar als „Die Glücks-Spieler“ bezeichnet.) Gelingt ihnen das auch in der zweiten Halbserie wieder, scheint vieles möglich zu sein. Doch schon das Spiel gegen Augsburg hat gezeigt, wie schwer das werden wird. Hertha hat nicht schlecht gespielt. Die „taz“ hat sich sogar recht euphorisch über die Leistung der Berliner gegen Augsburg ausgelassen: „Wie ruhig sie in höchster Bedrängnis hinten rausspielten, wie sie ins Dribbling gingen und wie sie hin und wieder Lupfer und Hackentricks wagten, zeigte deutlich, wie sehr sich die Hertha im vergangenen halben Jahr spielerisch entwickelt hat. Das Gegenpressing und das Kombinationsspiel auf engem Raum waren gut.“ (...) „Von der Spielanlage her, so viel war im Spiel gegen Augsburg zu sehen, ist Hertha reif für höhere Ziele.“

Aber die Konkurrenz hat sich inzwischen besser auf Hertha eingestellt. Mittelfeldspieler Vladimir Darida hat schon im Trainingslager prophezeit, dass die Rückrunde schwerer werden würde als die Hinrunde. Schon das Spiel gegen Augsburg hat gezeigt, wie man der Mannschaft von Pal Dardai weh tun kann: mit einer kompakten Defensive, die den Ballbesitzfußball letztlich ins Leere laufen lässt. In der zweiten Hälfte tat sich Hertha extrem schwer, sich Chancen zu erspielen. Wenn vorne keine Bälle ankommen, hilft auch die atemberaubende Effizienz von Herthas Sturmduo Kalou/Ibisevic wenig.

Abruptes Ende einer kleinen Trainerkarriere? Stefan Effenberg soll in Paderborn vor dem Rauswurf stehen.
Abruptes Ende einer kleinen Trainerkarriere? Stefan Effenberg soll in Paderborn vor dem Rauswurf stehen.

© dpa

Nutznießer Hertha BSC. „Die wilde Liga“ titelt das Fachblatt „Kicker“ in seiner heutigen Ausgabe. Kann man so sehen. Von den ersten zehn der Tabelle haben am ersten Rückrunden-Wochenende der Fußball-Bundesliga nur die ohnehin schon entrückten Bayern und die Dortmunder gewonnen. Die Kleinen proben den Aufstand - und größter Nutznießer, zumindest für den Moment ist - Tusch - Hertha BSC.

Am Samstagnachmittag herrschte im halb leeren (oder halb vollen) noch eine latente Enttäuschung vor, dass es für den Hinrunden-Dritten aus Berlin gegen den Hinrunden-Zwölften aus Augsburg nur zu einem 0:0 gereicht hatte (das mit Blick auf die Riesenchance von Raul Bobadilla auch noch eher schmeichelhaft für Hertha BSC zustande gekommen war). Im Nachgang aber muss dieses Ergebnis noch einmal komplett neu bewertet worden. Nicht nur die Konkurrenz um einen - hüstel, hüstel - Platz in der Champions League ist zum Auftakt der Rückrunde sieglos geblieben, auch jenseits von Platz sieben ist niemand näher an Hertha herangerückt. Im Gegenteil: Die Berliner haben ihren Vorsprung durch das Unentschieden gegen Augsburg einstweilen sogar ausgebaut. Waren es am Samstag noch drei Punkte, sind es jetzt vier.

Borussia Mönchengladbach (Vierter) hat immerhin gegen den beeindruckend starken Zweiten Borussia Dortmund verloren. Bayer Leverkusen hingegen ist nicht über ein Unentschieden gegen den Tabellenletzten Hoffenheim hinausgekommen. Schalke hat im eigenen Stadion gegen den 16. Werder Bremen verloren - trotz Führung und riesiger Überlegenheit in der ersten Halbzeit. (By the way: Wieso sollte Herthas John Anthony Brooks eigentlich zu einem Klub wechseln, der in der nächsten Saison nur in der Europa League spielt? Wenn überhaupt.) Und der VfL Wolfsburg hat sich beim 14. Eintracht Frankfurt nach Kräften blamiert. Und selbst Mainz, Köln sowie der HSV, die im Geheimen möglicherweise auf eine Europapokalteilnahme schielen, haben ebenfalls verloren.

Eine Art Ehrenrunde. Richtig euphorisch wirkten Herthas Spieler nach dem 0:0 gegen den FC Augsburg nicht.
Eine Art Ehrenrunde. Richtig euphorisch wirkten Herthas Spieler nach dem 0:0 gegen den FC Augsburg nicht.

© dpa/Hilse

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