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Gar nicht so einfach. Kirsten Weimershaus aus der Sportredaktion probiert sich im Mommsenstadion in der Leichtathletik-Disziplinen Gehen aus.

© Kitty Kleist-Heinrich

Unser Zehnkampf vor der Leichtathletik-EM: Beim Gehen geht ganz schön die Pumpe

Beim Gehen muss man auf viele Kleinigkeiten achten und die exakte Technik beherrschen. Teil vier unserer Serie zur Leichtathletik-EM in Berlin.

Laufen, springen, werfen – die Disziplinen der Leichtathletik sind Sport in seiner klassischsten Form. Doch sie sind schwieriger auszuüben, als sie aussehen. Bis zur Europameisterschaft vom 7. bis 12. August in Berlin probieren wir in unserer Serie „Tagesspiegel-Zehnkampf“ zehn Disziplinen unter professioneller Anleitung aus und beschreiben, worauf es dabei ankommt.

Wenn man ehrlich ist, sieht die Sportart Gehen schon ein bisschen amüsant aus. Die Athleten wackeln mit den Hüften und staksen über den Asphalt. Obwohl es ein bisschen steif wirkt, dachte ich mir, dass es etwas für mich sein könnte. Schließlich jogge ich – und das Joggen ist ja irgendwie mit dem Gehen verwandt. Als ich dann im Mommsenstadion auf der Tartanbahn stehe, komme ich doch noch einmal ins Grübeln. Ist das nicht doch alles zu wackelig und staksig für mich? Obendrein erlebt Berlin derzeit seinen Jahrhundertsommer und die Sonne brennt ins Stadion, kein Wind, gefühlte Temperatur: 35 Grad. Das wird ein Spaß!

Zum Glück liegt eine Bahnseite ein bisschen im Schatten. Zum Glück ist auch Stephanie Panzig da, sie ist an diesem Tag meine persönliche Trainerin. Die 37-Jährige arbeitet unter anderem als Nachwuchstrainerin im Gehen. Sie kam über das Laufen zum Gehen und war von 1994 bis 2003 Leistungssportlerin, spezialisiert auf die 20 Kilometer.

Panzig nimmt mir sofort meine Aufregung und die Grüblereien. Sofort kommen wir in ein ausgedehntes Gespräch, fast so, als seien wir schon lange Freundinnen. Doch ehe es zu innig wird, beginnt das Aufwärmtraining mit dem sogenannten Geher-ABC. Das sind spezielle Übungen für die richtige Technik. Schließlich muss man mit nach oben gerichteten Zehen laufen und dann konzentriert auf den Fersen ankommen. Die Laufübungen beinhalten unter anderem das Durchstrecken der Beine und ganz kurze Schrittchen – gerade mal so lang wie der eigene Fuß ist. Und mit dem Hacken muss man dort aufkommen, wo der andere Fuß aufhört. Zudem trainieren wir schwingende Schritte, kurze und weite Schritte. Arm-, Hüft- und Dehnungsübungen kommen dazu.

Nicht zu vergessen: Die Bauchspannung. Ohne Bauchspannung kommt man schnell ins Hohlkreuz – und das sieht dann wirklich komisch aus. Richtige Bauchspannung fühlt sich so an, als würde man eine zu enge Jeans anziehen und den Bund schließen wollen.

Panzig schaut sich die Übungen genau an und prüft, ob ich alles korrekt ausführe. Eine ist besonders schwierig – der sogenannte Affengang. Dabei sollen beide Beine gestreckt bleiben, ein Bein soll vor dem anderen auf dem Hacken aufsetzen und die Arme sollen von oben nach unten schwingen – als wolle man sich dehnen. Nicht leicht, weil das Standbein immer den Hang hat, ein bisschen nachzugeben. Da ist absolute Konzentration angesagt.

Wichtig ist auch die Hüfte, die beim Laufen hin-und herschwingt. Sie muss gezielt mobilisiert werden, und zwar indem man die Beine vor- und zurückschwingt und noch nach links und rechts pendelt. Dass die Hüften beim Gehen so schwingen, liegt daran, dass man die Beine durchgedrückt aufsetzt. Irgendwo muss der Schwung ja hin. Folgende Punkte sollte man beim Gehen also unbedingt beachten: Ein Fuß muss immer Bodenkontakt halten, der andere Fuß muss mit durchgestrecktem Bein auf der Ferse ankommen, während die Zehen nach oben zeigen. Die Arme sind angewinkelt und schwingen locker bei jedem Schritt mit. Und natürlich: die Bauchspannung.

Mit Bauchspannung zu gehen bringt mich schnell aus der Puste. Nach der Aufwärmphase stehen mir fünf kurze Steigerungs-Übungsläufe bevor, knappe 100 Meter. Im Normaltempo los, schneller werden und kurz vor dem ausgemachten Ende richtig Speed geben. Uff, da geht die Pumpe. Nicht einfach, gleichzeitig auch noch an alles zu denken.

Doch ich habe das Gefühl, wirklich schnell zu gehen. Das kommt durch die Körperspannung. So einen direkten Erfolg habe ich beim Joggen noch nicht empfunden. Schöner am Gehen im Vergleich zum Joggen ist auch, dass es viel gelenkschonender wirkt. Ich habe wirklich nicht damit gerechnet, dass ich auf den Geschmack kommen werde.

Nach einer kurzen Trinkpause – bei dem Wetter unbedingt erforderlich – geht es in die Abschlussrunde. Panzig blickt auf ihre Stoppuhr. Herrje, jetzt wird es ernst. Eine Runde, 400 Meter, Gehen. Und los! Der Kopf arbeitet: mit dem Hacken aufkommen, Beine durchdrücken, Zehen nach oben, Arme schwingen und Schulter runter. Auf halber Strecke ruft Panzig mir meine Zwischenzeit zu, die ich sofort wieder vergesse, weil ich nur noch höre wie sie sagt: „Und die letzte halbe Runde so schnell wie du kannst.“ Puh! Aber ich schaffe es. Länger hätte die Runde jedoch nicht sein dürfen. Ich bin komplett aus der Puste und die Beine sind schlapp. Allerdings ist eines sicher: Gehen nehme ich in mein privates Sportprogramm auf.

Bisher erschienen: Dreisprung (20. Juli), Hürdenlauf (24. Juli), Kugelstoßen (26. Juli)

Kirsten Weimershaus

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