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UNSERE Experten: Das Geschwätz von gestern

Der Fußball ist ein schnelllebiges Geschäft. Die Gewissheiten von gestern erzeugen heute nur noch Kopfschütteln.

Der Fußball ist ein schnelllebiges Geschäft. Die Gewissheiten von gestern erzeugen heute nur noch Kopfschütteln. Und was letzte Woche noch absurd erschien, ist morgen schon die große Schlagzeile in der „Bild“- Zeitung. Das gilt in besonderem Maß für die deutsche Nationalmannschaft, über deren Wohl und Wehe stets so aufgeregt diskutiert wird, als sei ihr Abschneiden in Südafrika indirekt auch für den Weltfrieden, das Bruttoinlandsprodukt und die Sanierung der maroden Krankenkassen verantwortlich.

Und deshalb schien klar, als Joachim Löw im Frühjahr Kevin Kuranyi und Torsten Frings aus dem Kader verbannte, dass die Starrsinnigkeit des Bundestrainers ein Scheitern schon in der Vorrunde geradezu zwangsläufig machen würde. Als dann auch noch Kapitän Michael Ballack nach einem Foul von Kevin-Prince Boateng ausfiel, schien selbst Fußballzwerg Australien ein nahezu unbezwingbarer Gegner. Nachdem der unbezwingbare Gegner dann locker mit 4:0 abgefrühstückt worden war, sahen wir die Mannschaft schon mit dem Goldpokal auf der Fanmeile. Als Lukas Podolski gegen Serbien auf alles schoss, was sich bewegte, nur eben nicht ins Tor, hätten wir statt seiner gern doch noch Thomas Hitzlsperger mitgenommen.

Als Poldi gegen England dann doch traf und Miroslav Klose auch noch, hatten wir immer an die beiden geglaubt. Als Argentinien mit 4:0 geschlagen war, konnten wir nicht verstehen, dass Ballack überhaupt jemals für die Nationalelf berufen worden war. Als Spanien uns eiskalt schlug und wir dabei einigermaßen überfordert aussahen, vermissten wir „Capitano“ Ballacks Ruhe und Erfahrung.

Als Thomas Müller im Spiel um Platz drei zum 1:0 gegen Uruguay traf, waren wir uns sicher, dass wir mit ihm locker gegen Spanien gewonnen hätten. Als dann das 1:2 für Uruguay fiel, waren wir uns nicht mehr so sicher. Als die WM begann, suchten wir schon nach einem geeigneten Nachfolger für Bundestrainer Joachim Löw. Als die WM zu Ende ging, wussten wir, dass der beste Löw-Nachfolger Joachim Löw selbst ist.

Als Experten, die wir alle sind.

Philipp Köster ist Chefredakteur von 11 Freunde. An dieser Stelle kommentierte er im Wechsel mit Marcel Reif, Arnd Zeigler, Michael Oenning und Fredi Bobic die WM.

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