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Sport: Unsouverän an der Spitze

Bayern München schien als Meister längst festzustehen – nach der Niederlage in Bremen sieht das plötzlich etwas anders aus

Die Fankurven der Bundesliga bilden einen manchmal sehr berechenbaren Organismus. Ist eine Mannschaft zu Gast, die den Abstieg fürchtet, erklingt ziemlich sicher ein Gesang, wonach diese in die Zweite Liga gehöre und man froh wäre, wenn sie nicht mehr zurück käme. Reist dagegen der Titelträger an und schlägt sich unter Wert, wird dessen grundsätzliche Qualität in Zweifel gezogen.

So auch am Samstag in Bremen. „Und ihr wollt Deutscher Meister sein?“, schallte es den Fußballern des FC Bayern nach der 0:3-Niederlage aus Werders Fankurve entgegen. Dass die Bayern nicht nur Meister sind, sondern auch bleiben, ist noch immer das wahrscheinlichste aller Szenarien. Das Verdienst der Bremer in diesem Spitzenspiel war jedoch , dass es nicht mehr vermessen ist, gewisse Zweifel an der Titelverteidigung anzumelden. Sieben Punkte liegt Werder zurück, vier nur der Hamburger SV .

Der FC Bayern wirkt derzeit ein wenig wie ein Schwimmer, dem auf den letzten Metern die Puste ausgeht. Wenn sich die Münchner dennoch als Erster ins Ziel schleppen, wird die grandiose Hinrunde der Schlüssel zum Erfolg gewesen sein. Als das Team daheim im neuen Stadion noch Angst und Schrecken verbreitete und auswärts auch in schwächeren Spielen zuverlässig das entscheidende Tor erzielte. Doch spätestens seit dem blamablen Ausscheiden aus der Champions League gegen den AC Mailand zeigen sich die Bayern, nicht nur in der Torwartfrage, ungewöhnlich dünnhäutig. Dem 2:2 gegen den Tabellenletzten Köln folgte ein 0:3 im Spitzenspiel in Bremen, es war die höchste Bundesliga-Niederlage in der Amtszeit von Trainer Felix Magath.

Dass die Münchner am Samstag streckenweise sogar die bessere Mannschaft waren, ist nur ein kleiner Trost. Ausgerechnet in der entscheidenden Saisonphase scheint ihnen die Fähigkeit abhanden gekommen zu sein, die entscheidenden Tore zu schießen. Den Bremern genügte so eine eher durchschnittliche Leistung, um als klarer Sieger vom Platz zu gehen.

Die Bayern kennen die Gefahr, die mit einem weiteren Misserfolg ganz schnell aufziehen könnte. Die Meisterschaft schien längst ausgemachte Sache zu sein. Wenn sie diesen Vorsprung noch verspielen sollten, geriete diese Saison endgültig zum Desaster. Die eigentlich schon abgeschlagenen Verfolger jedenfalls haben aus dem unsicheren Auftreten des Tabellenführers Hoffung geschöpft. „Wenn die Bayern doch noch nervös werden, dann stehen wir bereit“, kündigte Allofs an. Zumal die Bremer ihr kleines Tal offenbar durchschritten haben. Werder hat eine kleine Serie von drei Siegen ohne Gegentor hingelegt – bei der chronisch löchrigen Abwehr ist das eine kleine Sensation. Ihrem Saisonziel, dem Erreichen eines Champions-League-Platzes, sind sie ein großes Stück näher gekommen.

Am Mittwoch werden sie entspannt vor dem Fernseher zusehen, wie die Münchner sich im DFB-Pokal-Halbfinale beim drittklassigen FC St. Pauli schlagen. Denn auch für dieses Spiel trifft zu, was in der Bundesliga gilt: Der FC Bayern hat in dieser Saison nicht mehr viel zu gewinnen. Er kann nur noch verlieren.

Steffen Hudemann[Bremen]

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