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Sport: Unter deutscher Flagge

Das United Internet Team Germany begreift den America’s Cup der Segler als nationale Angelegenheit

Das also ist der Ort, der ein Signal des Aufbruchs in das restliche Deutschland senden soll: Feuchter Wind klatscht einen Fetzen Dachpappe gegen das rostige Skelett einer Lagerhalle, daneben zerlegen zwei Schaufelbagger eine weitere Halle, während sich zwischen riesigen Speichern nur wenige Menschen verlieren. Der Kieler Nordhafen taugt derzeit nicht besonders gut als Symbol für eine prosperierende deutsche Wirtschaft. Uwe Sasse sieht das anders.

Sasse sieht nicht die rostige Halle, die Schaufelbagger und die riesigen Speicher. Er sieht ein „Visitors-Center“, einen Weg mit Informationstafeln und Flachbildschirmen, auf denen Yachten kreuzen. Überhaupt sieht er vieles, was Besucher an der Uferstraße 100 des Kieler Nordhafens momentan vergeblich suchen werden. Auch vor zwei Jahren hat Uwe Sasse Dinge gesehen, die es noch nicht gab. Als klar war, dass die Segel-Wettfahrt um den America’s Cup im Jahr 2007 vor Valencia, also erstmals in Europa, ausgetragen wird, fragte er sich: „Wieso gibt es eigentlich kein deutsches Boot?“ Zwei Jahre später ist der Hobbysegler der Chef des Syndikats „United Internet Team Germany“, das in der Knierim-Werft am Nord-Ostsee-Kanal in Kiel sein Basislager bezogen hat. Es wird als erste Yacht unter deutscher Flagge um die älteste Sporttrophäe der Welt segeln.

Geschafft hat der 43-Jährige das vor allem, weil er ein privates Unternehmen zur gesamtdeutschen Bewegung erhoben hat – nicht ohne Grund taucht der Landesname in der Syndikatsbezeichnung auf. Auf diese Weise hat er das öffentlich-rechtliche Fernsehen für Übertragungen gewonnen und den Internet-Unternehmer Ralph Dommermuth auf seine Seite gezogen. Gemeinsam mit diesem will der frühere Inhaber einer Sportmarketingfirma „einen Beitrag leisten für das Deutschlandthema insgesamt“. Offenbar hat er damit Erfolg. „Firmen, die noch bis vor kurzem ein Engagement abgelehnt haben, möchten jetzt mit ins Boot“, sagt Sasse.

Dort sitzen die deutschen Segler ohnehin fast geschlossen – im übertragenen Sinn. Anstatt einen einzigen Trägerklub für die Kampagne zu benennen, gründete Sasse den Verbund DCYC („Deutscher Challenger Yacht Club“), in dem die größten Segelvereine Deutschlands organisiert sind. Das schafft Identifikation, deutschlandweit. Aus dem gleichen Grund hat Sasse auch eine Deutschen-Quote an Bord ausgegeben. Beim America’s Cup 2007 sollen „acht bis neun“ der 17 Segler an Bord aus Deutschland kommen. Rein sportlich betrachtet wäre es wohl Erfolg versprechender, neben dem dänischen Skipper Jesper Bank oder dem Neuseeländer Conan Hunt weitere erfahrene Ausländer zu verpflichten. Abgesehen davon, dass das Budget von geschätzten 40 Millionen Euro dafür vermutlich nicht ausreicht, will das „United Internet Team Germany“ aber mit einheimischen Seglern wie die in der vergangenen Woche verpflichteten Nico Jeschonnek, Matthias Paschen, Henning Sohn, Gerrit Bottemöller und Wolf Dietz in das Bewusstsein und die Fernsehzimmer der Deutschen vordringen.

Auch wenn Skipper Bank immer wieder betont, es gehe ums Segeln und nicht um Nationalitäten, hat ihn sein Chef mittlerweile von seiner Nationalmannschafts-Idee überzeugt. Etwa 250 deutsche Segler will Bank in den nächsten Monaten auf ihre America’s-Cup-Tauglichkeit prüfen. „Jesper hat das verstanden und möchte sogar 70 Prozent Deutsche an Bord“, sagt Uwe Sasse. Der Tagesplan in der Zentrale, der englische Segelbegriffe mit den deutschen Wörtern „Frühstück“ und „Abendessen“ vermischt, lässt es erahnen: An Deck wird auf Banks Geheiß künftig deutsch gesprochen. „Die internationalen Segler müssen sich anpassen“, sagt der Däne.

Das Konzept von Sasse und Dommermuth endet aber nicht an der Planke. Mit dem „Visitors-Center“ wollen sie Besucher demnächst in der Zentrale im Kieler Nordhafen für ihr Projekt begeistern. Auch in Valencia, wo das Team in den Wintermonaten und während des Cups seine Basis haben wird, will Sasse Interessierten „auch in den Bereichen Zutritt gewähren, die andere Teams abriegeln“. Offenheit als Ersatzattraktion für Fans und Sponsoren – ein Prinzip, wie es beispielsweise auch das Formel-1-Team Red Bull verfolgt.

Den Cup-Sieg nämlich wird das „United Internet Team Germany“ den Segelfans trotz beachtlicher Ergebnisse in den ersten Rennen kaum bieten können. Im High-Tech-Sport Segeln ist der Sieg auch eine Materialfrage. Im April oder Mai 2006 wird das Boot in Kiel fertig gestellt sein, doch mit den Favoriten Alinghi oder BMW-Oracle, die über das doppelte Budget verfügen, wird es kaum mithalten können. „Ins Halbfinale können wir aber kommen“, glaubt Jesper Bank.

Uwe Sasse gibt sich damit nicht zufrieden. Getreu seinem Lebensmotto „If you can dream it, you can do it“ träumt er schon über 2007 hinaus. „Wir werden auf jeden Fall auch den nächsten Cup 2011 segeln“, bekräftigt er. „Und dann wollen wir das Ding auch gewinnen.“ Wie gesagt, Uwe Sasse sieht viele Dinge.

Christian Hönicke[Kiel]

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