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Sport: Unter Druck

Stefan Hermanns über die labile Psyche von Borussia Dortmund Fußballer besitzen ein sehr opportunistisches Verhältnis zur Wahrheit. Wenn sie gespielt haben wie der erste Mensch, behaupten sie, ihre Leistung sei doch ganz ordentlich gewesen; und auch den schlimmsten Schlappen gewinnen sie noch einen positiven Aspekt ab.

Stefan Hermanns über die labile Psyche von Borussia Dortmund

Fußballer besitzen ein sehr opportunistisches Verhältnis zur Wahrheit. Wenn sie gespielt haben wie der erste Mensch, behaupten sie, ihre Leistung sei doch ganz ordentlich gewesen; und auch den schlimmsten Schlappen gewinnen sie noch einen positiven Aspekt ab. Matthias Sammer zum Beispiel hat nach Borussia Dortmunds Niederlage gegen den FC Brügge gesagt, dass die größten Siege immer aus den größten Niederlagen entstanden seien. Das soll seiner mutlosen Mannschaft ein bisschen Mut für die Zukunft machen.

Ganz falsch ist Sammers Einlassung nicht. Oliver Kahn berichtet immer wieder gerne, wie ihn die Niederlage gegen Manchester United im Finale der Champions League zwei Jahre lang zum Höchsten getrieben habe – so lange, bis er mit Bayern München den Wettbewerb endlich gewonnen hatte. Trotzdem irrt Sammer: Nicht jede Niederlage in einem wichtigen Spiel ist eine große Niederlage. Brügge ist nicht Manchester, die dritte Runde der ChampionsLeague-Qualifikation nicht das Finale der Champions League. Natürlich, gegen Brügge hat der BVB im Elfmeterschießen verloren. Das ist Pech. Aber genauso hat Dortmund vor zwei Wochen im Hinspiel in Belgien jegliches ästhetische Empfinden aufs Übelste beleidigt. Und wenn die Mannschaft in der vergangenen Bundesligasaison ihr letztes Heimspiel gegen den Absteiger aus Cottbus gewonnen hätte, hätte sie sich gar nicht erst durch die Qualifikation quälen müssen. Es wurde ein 1:1. Eine große Niederlage?

Könnte es vielleicht sein, dass es der teuren und auf allen Positionen prominent besetzten Mannschaft ganz einfach an psychischer Stabilität mangelt? Als „Angsthasen und Auswärtsneurotiker“ hat das Fachmagazin „Kicker“ die Borussia gestern bezeichnet. Seit Dezember hat die Mannschaft kein Auswärtsspiel mehr gewonnen. Matthias Sammer, der Trainer, beklagt nach jeder schwächeren Leistung die Selbstzufriedenheit und Charakterschwäche seiner Spieler – also nahezu jede zweite Woche. Doch es ändert sich nichts. Erreicht der Trainer seine Mannschaft nicht? War es nicht Sammer, der die selbstzufriedenen und charakterschwachen Spieler für viel Geld hat verpflichten lassen? Und ist er nicht mit denselben selbstzufriedenen und charakterschwachen Spielern vor einem Jahr Deutscher Meister geworden? „Wir sind noch nicht so gefestigt, um mit Drucksituationen umgehen zu können“, hat Sammer gesagt. Es wird langsam Zeit.

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