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Sport: Unter Figos Führung

Portugal besiegt Holland 2:1 und steht im Finale der Europameisterschaft

Es war die letzte Stunde vor dem Spiel, als ganz Lissabon ruhte. Alles stand still. Eine Stadt, ja eine ganze Nation fieberte dem EM-Halbfinale am Abend gegen Holland in Lissabon entgegen. Die Sportzeitung „A Bola“ hatte seine Leser mit einer ungewöhnlichen Titelgeschichte begrüßt. Unter dem Foto einer ausgepressten Apfelsine, aus der orangefarbener Saft lief, stand geschrieben: „Warum soll Geschichte sich nicht wiederholen?“ Dazu ist anzumerken, dass eine portugiesische Fußball-Elf vor drei Jahren in Porto gegen Holland 2:2 gespielt und sich damit für die WM 2002 qualifiziert hatte. Damals hatte die Zeitung dasselbe Titelbild gewählt. Nach dem gestrigen 2:1 (1:0)-Sieg vor 47 000 Zuschauern im Stadion José Alvalade und den damit verbundenen Finaleinzug dürfte dieses Titelbild im Land des EM-Gastgebers heilig gesprochen werden, zumindest aber Luis Figo, der seine Mannschaft ins Endspiel am 4. Juli führte.

Für die Portugiesen war es keine Überraschung mehr, dass Luis Figo gestern auflief. Trainer Luiz Felipe Scolari hatte es schon am Tag zuvor verraten. „Natürlich wird er spielen. Figo ist ein Idol.“ Vergessen war seine Auswechslung im Viertelfinale gegen England, ein Umstand, den Figo als Majestätsbeleidigung auffasste und daher schmollte. „Wir müssen die Europameisterschaft gewinnen“, hatte Figo vor dem Halbfinale gesagt. Und so spielte er. Wie zu seinen besten Zeiten prägte der Mann von Real Madrid die erste Halbzeit. So war er es, der in der zehnten Minute die erste Torchance des Spiels vorbereitete. Zwei Meter vor dem holländischen Tor verpasste zunächst Cristiano Ronaldo. Doch eine Viertelstunde später war dieser zur Stelle. Einen Eckball von Deco, neben Figo der zweite Spielgestalter der Portugiesen, nickte der 19-Jährige zur Führung ein.

An der Seite des Torschützen stürmte Pauleta, der Nuno Gomes ersetzte und in der 35. Minute eine schöne Chance vergab. Auch Scolaris Gegenüber, Hollands Bondscoach Dick Advocaat, hatte im Sturm gewechselt. Für Andy van der Meyde rückte Marc Overmars ins Team, der im direkten Gegenzug des portugiesischen Führungstores den Ball über den Winkel drosch. Die Holländer merkten rasch, dass sie mehr wagen mussten, als sich nur mit cleverem Standspiel dem hingebungsvollen Fußball der Gastgeber entgegenzustellen. Allein es fehlte ihnen an Ideen und Zug zum Tor. Nach einem Abseitstor von Ruud van Nistelrooy war es wieder Figo, der das Spiel hätte frühzeitig entscheiden können. Der 31-Jährige traf nur den Pfosten. Das 2:0 blieb Maniche vorbehalten. Dem Mittelfeldspieler vom FC Porto gelang ein Traumtor (54.). Er nutzte ein kurzes Zuspiel nach einer Ecke und schlenzte den Ball aus 25 Metern ins lange Eck. Es war die zweite Standardsituation, die zum Erfolg führte.

Die Holländer waren konsterniert. Advocaat musste etwas riskieren und brachte Roy Makaay sowie Rafael van der Vaart. Und dann musste doch ein Portugiese nachhelfen. Jorge Andrade traf bei einem Abwehrversuch den Ball so unglücklich, dass dieser sich über Torwart Ricardo ins eigene Tor senkte. Der Anschlusstreffer weckte die Holländer. Advocaat brachte auch noch van Hooijdonk, aber auch das ohne Erfolg. Es sollte der Abend der Portugiesen und des Luis Figo werden, der zum „Mann des Spiels“ gewählt wurde. Vor drei Jahren hatte er in der 90. Minute den Ausgleich gegen Holland erzielt, aber gestern führte er sein Team erstmals in ein großes Finale. Nach dem Abpfiff verwandelte Lissabon sich in ein riesiges Volksfest, das bis in den Morgen dauerte.

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