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Sport: Unter Fußball-Freunden

Die einst weißen Fenster des Schwurgerichtssaals 218 beim Landgericht Koblenz sind dunkel angelaufen, die grelle Farbe der gelblichen Vorhänge brennt in den Augen. Patina klebt an den Wänden, Stühle und Tische versprühen den Charme der Sechzigerjahre.

Die einst weißen Fenster des Schwurgerichtssaals 218 beim Landgericht Koblenz sind dunkel angelaufen, die grelle Farbe der gelblichen Vorhänge brennt in den Augen. Patina klebt an den Wänden, Stühle und Tische versprühen den Charme der Sechzigerjahre. Als der Fußball-Manager Reiner Calmund am Dienstag in den Zeugenstand gerufen wird, um im Kokain-Prozess gegen Trainer Christoph Daum auszusagen, dürfte ihm ein Blick genügt haben, um eines festzustellen: Dies hier ist nicht die glitzernde Welt des Fußballs. In diesem Raum geht es hart zur Sache. Calmund wird in wenigen Minuten seinen alten Freund Christoph Daum belasten - mit der Aussage, Daum habe ihm erzählt, dass der Trainer die Haarprobe zur Untersuchung seines Kokainkonsums gegen eine Haarprobe seines Bruders getauscht hat.

Der Raum ist ungewohntes Terrain für den Manager von Bayer Leverkusen. Gewöhnlich strotzt Calmund vor Selbstvertrauen. Jetzt, wo er nicht weiß, was ihn erwartet, hat er Schwierigkeiten, den richtigen Stuhl zu finden. Als er ihn endlich erreicht, kreuzen seine Augen flüchtig die des Angeklagten. "Der Auftritt vor Gericht ist für mich emotional schwierig", hatte Calmund vorher einem Boulevardblatt anvertraut, Daum sei ja sein Freund gewesen. Es gibt keinen unter den 80 Beobachtern im Saal, der ihm das in diesem Moment nicht glauben würde. Der Richter bittet das Schwergewicht, seine Sicht der Kokain-Affäre Daums zu schildern.

Calmund beginnt mit dem 6. Oktober, erzählt, wie Daum ihm eröffnet habe, anhand einer Haaranalyse über Gerüchten des Kokain-Konsums entgegenzutreten. Er berichtet von Pressekonferenzen und der Haarentnahme. Nach seiner Kenntnis seien neben Daum damals dabei gewesen: Daums Kotrainer Roland Koch, Physiotherapeut Dieter Trzolek, Notar Janke sowie der Arzt Dr. Schmidt vom Deutschen Fußball-Bund, den Calmund auf Initiative Daums dazugebeten hatte. Calmunds sonst so starke Stimme klingt dünn. Einmal bittet der Richter ihn um lautere Worte, einmal der Staatsanwalt. Calmund erklärt den Weg der Haarprobe ins Institut für Rechtsmedizin; eine Notariatsangestellte sei mit dem versiegelten Kuvert hinter ihm hergefahren und habe es dort abgegeben. Als er am 20. Oktober das Gutachten entgegennahm, hätte ihm der die Haarprobe untersuchende Arzt Käferstein angesichts des hohen Kokainwertes empfohlen, Daum in die Suchtklinik einzuweisen. Und dann schildert Calmund die Zusammenkunft mit Daum in der Nacht zum 21. Oktober, die "Nacht der langen Messer", wie der Richter sie nennt. Calmund nennt sie Daums "persönlichen 11. September".

Nachdem er Daum die Beurlaubung eröffnet habe, habe Daum ihm gesagt, dass die Haare nicht von ihm seien, sie seien vertauscht worden. Später, als Daum in den USA war, habe Daum gesagt, die untersuchten Haare hätten von seinem Bruder gestammt, Koch und Trzolek hätten geholfen. Warum aber dieser Haartausch?, fragt der Richter. Calmund berichtet von einem Treffen mit Daum im vergangenen Februar. Da habe Daum eingeräumt, "auf einer Party im Mai oder Juni 2000" Kokain konsumiert zu haben. Daum, der während der Aussage wortlos sein Tagebuch vollkritzelte, nickt oft. Nach der Verhandlung widerspricht er jedoch. Er habe nie gesagt, dass er die Haare seines Bruders abgegeben habe. Daum: "Das entspricht nicht der Wahrheit."

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