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Sport: Unter Null

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft schafft in Island nur ein 0:0 – danach verliert Teamchef Rudi Völler die Nerven

Reykjavik. In der 53. Spielminute war fast alles vorbei. Der isländische Fußballer Sigurdsson steht im deutschen Strafraum, erkämpft sich den Ball und schießt ihn aus fünf Metern Entfernung aufs Tor. Der Torwart der deutschen Nationalmannschaft, Oliver Kahn, kommt nicht an den Ball, Baumann rettet auf der Linie. Der Ball kommt zurück in den Strafraum, der Isländer Helguson reagiert am schnellsten, köpft sofort wieder auf das Tor, erneut ist Kahn geschlagen, diesmal muss Wörns auf der Linie retten. Eine Minute zuvor hatte bereits Gudjohnsen einen Freistoß aus 25 Metern knapp am deutschen Tor vorbeigezirkelt. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft stand in Island am Rande einer Niederlage. Am Ende erkämpfte sie sich in Reykjavik ein 0:0. Angesichts der Ausgangssituation – auf dem Programm stand ein Duell zwischen einem kleinen Land, das noch nie für eine Welt-oder Europameisterschaft qualifiziert war, gegen den aktuellen Vizeweltmeister – war das eine Pleite. Angesichts des Spiels war es allerdings ein glücklicher Punktgewinn.

Teamchef Rudi Völler konnte mit dem Ergebnis nicht leben. Nach Spielschluss setzte er sich in das ARD-Studio und beschimpfte die Fernsehjournalisten. „Ich kann den Scheißdreck nicht mehr hören“, sagte Völler nach der Kritik der Kommentatoren am schwachen Spiel seines Teams (siehe unten). Doch die Medienschelte konnte nicht die Bilanz der Nationalmannschaft in der Qualifikation zur Europameisterschaft 2004 verdecken. In der Gruppe 5 führt weiterhin Island, ein Land mit 16 000 registrierten Fußballspielern. Einen Punkt dahinter rangieren die Deutschen – ein Land, in dem sechs Millionen Menschen regelmäßig Fußball spielen – auf Platz zwei. Am Mittwoch muss nun das deutsche Team in Dortmund gegen die von Berti Vogts trainierten Schotten gewinnen, die am Mittwoch die Färöer 3:1 besiegten. Wenn die Deutschen in Dortmund so spielen wie in Reykjavik, werden sie als Gruppenzweiter womöglich in Relegationsspielen um den Einzug in die EM-Endrunde 2004 in Portugal kämpfen müssen.

Die Gastgeber präsentierten sich von Beginn an angriffslustig. Angefeuert von den 7000 Fans im ausverkauften Laugardalsvöllur-Stadion kämpften die Isländer um jeden Ball und erarbeiteten sich schon in der ersten Halbzeit gute Möglichkeiten. Die beste davon vergab Gudjohnsen, als er kurz vor der Pause allein auf Kahn zulief. Doch der Keeper konnte den Schuss abwehren. Der Szene war ein Fehler des Hamburger Verteidigers Christian Rahn vorangegangen. Es war nicht sein einziger.

Insgesamt wirkte die deutsche Abwehr unsicher. Besonders Rahn brachte seine Kollegen mit Abspielfehlern mehrmals in Verlegenheit. In der zweiten Halbzeit wurde er gegen Michael Hartmann ausgetauscht. Nicht besser agierten die Stürmer.

Auf Herthas erfolglosen Neueinkauf Fredi Bobic hatte Teamchef Rudi Völler gleich von Anfang an verzichtet. Doch auch seine spielenden Kollegen Klose und Neuville konnten kaum für Torgefahr sorgen. Und so hatte Mittelfeldregisseur Michael Ballack in der ersten Halbzeit noch die beste Chance, als er mit einem Kopfball an Islands Torwart Arason scheiterte. In der zweiten Hälfte hatte der eingewechselte Kuranyi noch eine passable Möglichkeit, als er nach gutem Pass von Kehl einen Direktschuss knapp über das Tor setzte. Insgesamt reichte das aber nicht, um die schwache Mannschaftsleistung zu überdecken. „Das Verständnis untereinander fehlt“, schimpfte Ballack nach dem Abpfiff. „Da ist keine Harmonie.“

Und so blieb es Sebastian Deisler vorbehalten, am Schluss noch für etwas Bewegung im deutschen Spiel zu sorgen. Nach seiner Einwechslung 20 Minuten vor dem Abpfiff zog der lange verletzte Mittelfeldstar das Spiel an sich und bereitete einige kleinere Torchancen vor. Das war aber nichts gegen den Sturmlauf der Isländer in der Schlussphase, den Gudjonsson hätte krönen können. Doch der toll freigespielte Isländer schoss knapp über das Tor.

Er rettete Deutschland das 0:0.

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