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Sport: Unterm Hintern weg verkauft

Wer sich kein eigenes leisten kann, reitet anderer Leute Pferde – und könnte plötzlich ganz ohne da stehen

Jerez (dpa). Wer vor wenigen Wochen nach dem Favoriten für die Weltmeisterschaften der Springreiter fragte, der bekam neben Ludger Beerbaum fast immer auch Rolf-Göran Bengtsson genannt. Doch wer den Schweden in dieser Woche bei den Weltreiterspielen in Jerez trifft, sieht einen traurigen Mann. Denn Pialotta, das Pferd, mit dem Bengtsson bei der EM 2001 Mannschafts-Silber und Einzel-Bronze gewonnen hatte, ist kurz vor der WM verkauft worden. Pferde sind eben nicht nur Hochleistungssportler, sondern vor allem Handelsware mit Millionenwert.

„Der Junge tut mir verdammt leid“, sagt der deutsche Bundestrainer Kurt Gravemeier. „Dem haben sie das Pferd so kurz vor dem Turnier unterm Hintern weg verkauft.“ Pialottas Besitzer, der niederländische Pferdehändler und Reiter Jan Tops hatte wohl nicht bis nach der WM warten wollen.

Jetzt steht Pialotta im Stall der Österreicherin Tatiana Freytag von Loringhove. Zwei Millionen Euro soll die Stute gekostet haben, verlautet gerüchteweise – aber genaue Zahlen werden in dieser Branche selten genannt.

Bengtsson ist ein Opfer unter vielen. Er ist ein hervorgegangener Reiter, aber kein reicher Mann. Als Bereiter in Jan Tops Handelsstall muss er den Großteil der Preisgelder abführen und immer damit rechnen, dass die von ihm ausgebildeten Pferde verkauft werden. Und je erfolgreicher er ist, desto schneller geschieht das.

Profitiert hat von so einem Deal neulich erst Lesley McNaught. Die Schweizerin hatte sich schon vom Springreiten verabschiedet. Doch nach anderthalb Jahren Pause feierte sie vor wenigen Monaten in Redefin ihr Comeback. Möglich hat das die amerikanische Millionärs-Familie Saperstein gemacht, die ihr mit Pershing und Fleur zwei Top-Pferde zur Verfügung gestellt hat. In Jerez wird McNaught, die 1999 EM-Silber und Bronze gewann, nun schon zum erweiterten Favoritenkreis gezählt. Aber einen Leidtragenden gibt es natürlich in dieser Geschichte auch: Der bisher für die Sapersteins reitende Ray Texel steht nun ebenfalls ohne Pferd da.

Wohl dem, der nicht in einem Handelsstall reiten muss oder von einem launenhaften Mäzen abhängig ist. Ludger Beerbaum zum Beispiel hat Glück. Er darf seit Jahren die Pferde der Stallbesitzerin Madeleine Winter-Schulze reiten, ohne dass er Angst haben müsste, dass etwa sein WM-Star Gladdys plötzlich verkauft wird. Solche Förderer sind im millionenträchtigen Pferdehandel allerdings extrem selten.

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