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Sport: Unternehmen Klassenerhalt

Der 1. FC Union beurlaubt Mirko Votava – der neue Trainer Aleksandar Ristic soll das Team in der Liga halten

Von Karsten Doneck, dpa

Berlin. Abends auf der Autobahn kam die Einsicht. Jürgen Schlebrowski war nach der 1:3-Pleite am Sonntag bei Jahn Regensburg ohnehin angefressen. Als er im Auto zum Flughafen München-Riem fuhr, ließ er sich alles noch mal gründlich durch den Kopf gehen. Dann traf er seine Entscheidung. In mehreren Telefonkonferenzen am nächsten und übernächsten Tag stimmte der Präsident des 1. FC Union die Vorgehensweise mit seinen Vorstandskollegen ab. Gestern erfolgte dann die offizielle Bekanntgabe dessen, was schon am Dienstagabend beschlossen worden war: Mirko Votava ist ab sofort als Trainer des abstiegsbedrohten Fußball-Zweitligisten beurlaubt, die Nachfolge tritt Aleksandar Ristic an. Ristic unterschrieb einen Vertrag bis Saisonende. Votava erhält von Union weiter seine monatlichen Bezüge, sein Vertrag läuft bis 2005. Seine Beurlaubung sei „eine auf Widerruf, das können Sie interpretieren, wie Sie wollen“, sagte Schlebrowski. Der Präsident will nicht ausschließen, dass Votava irgendwann eine andere, neue Aufgabe im Verein übernimmt, falls man mit ihm keine Einigung über eine Abfindung erzielt.

Dem Trainerwechsel vorangegangen war hektische Betriebsamkeit bei Union. Schlebrowski hatte versucht, schon am Dienstagabend Votava von der Entscheidung in Kenntnis zu setzen, ihn aber telefonisch nicht erreicht. Zeitgleich wurde von der Union-Geschäftsstelle schon ein Flugticket geordert für einen Flug von Düsseldorf nach Berlin am Mittwochmorgen. Name des Fluggastes: Aleksandar Ristic.

Gestern, in aller Herrgottsfrühe, erhielt Votava dann die Aufforderung, er möge doch bitte um 9 Uhr auf der Geschäftsstelle in der Hämmerlingstraße erscheinen. Dort empfingen ihn Schlebrowski und Geschäftsführer Ralf Büttner, um ihm die Beurlaubung mitzuteilen. Votava reagierte erstaunlich souverän. Er räumte sein Trainerzimmer im Stadion Alte Försterei, verabschiedete sich nach dem Vormittagstraining, das sein Assistent Ivan Tischanski leitete, in einer kurzen Rede von der Mannschaft. „Ich hoffe, die Jungs schaffen den Klassenerhalt“, sagte Votava noch. Und er gab zu bedenken: „Ich bin seit November 2002 hier, mir ist nichts geschenkt worden.“ Kritik am Verhalten seines Arbeitgebers ersparte er sich, nimmt allerdings aus der Zeit in der Wuhlheide auch seine Lehren mit. „Ich habe gelernt, dass ich, wenn ich etwas erreichen will, im neuen Verein auch meine Wünsche durchsetzen muss, zum Beispiel den nach einem Manager.“ Diese im Profifußball eminent wichtige Stelle spart Union aus Kostengründen ein.

Während die Mannschaft, die von Votavas Beurlaubung unmittelbar vor dem Training durch Schlebrowski und Büttner informiert worden war, auf einem Nebenplatz des Stadions Alte Försterei unter Tischanskis Anweisungen ihre Arbeit verrichtete, saß Ristic im Flugzeug nach Berlin. Er landete um 10.50 Uhr in Berlin-Tegel. Unions Vorstandsmitglied Oskar Kosche holte ihn im Pkw ab, fuhr mit ihm ins Abacus-Tierparkhotel. Dort wartete Schlebrowski zusammen mit Schatzmeister Christian Guizetti und Ralf Büttner, um den Vertrag perfekt zu machen.

Das Risiko, sich von Ristic in letzter Sekunde noch eine Absage einzuhandeln, war gering. Der Kontakt zu dem 59-jährigen Bosnier, der einst unter Trainerlegenden wie Ernst Happel oder Branko Zebec gearbeitet hatte, bestand seit Wochen. Union hatte nämlich schon längst ausgelotet, was wäre, wenn man sich von Votava trennen würde. Der Name Ristic hatte für den Fall des Falles bei Union oberste Priorität. Union ist sich des Risikos durchaus bewusst, dass auch unter dem neuen Trainer das Unternehmen Klassenerhalt scheitern könnte. „Es gibt keine Garantie, das wissen wir alle“, sagt Schlebrowski. „Aber Aleksandar Ristic bringt genau die Erfahrung und Kompetenz mit, die man im Abstiegskampf braucht.“

Bereits gestern Nachmittag trainierte Ristic Union. Er hat vor, die Spieler selbst mehr in die Verantwortung zu nehmen. „Ich will, dass die Mannschaft mir von sich aus sagt, diese Methode ist die beste für die letzten neun Spiele. Wie ich das dann umsetze, wen ich aufstelle, das ist aber allein meine Sache“, sagt Ristic. Am Sonntag hat er Premiere. Dann gastiert Eintracht Trier bei Union.

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