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© dpa

Urs Siegenthaler: Der vernetzte Philosoph

Dem Trainer des Hamburger SV gefällt dieser Transfer gut, besonders gut sogar. Denn der neue Sportchef Urs Siegenthaler nimmt Bruno Labbadia kein bisschen seiner Macht.

Er entlastet ihn eher in Aufgabenfeldern, für die sich Labbadia ohnehin nicht besonders interessiert hat. „Der Sportdirektor soll Dinge machen, die wir nicht machen können, er soll zum Beispiel im Jugendbereich die Spielphilosophie durchsetzen, die wir oben vorgeben“, sagte Labbadia am Mittwoch vor dem Europa-League-Spiel des Hamburger SV gegen PSV Eindhoven.

Labbadia bleibt also das, was er seit der Entlassung des Sportchefs Dietmar Beiersdorfer im Juni 2009 ohnehin ist: ein Manager englischer Prägung, also Trainer und Sportchef in einem. Das hatte Labbadia in einer mutigen freien Rede für alle ziemlich überraschend schon Ende Januar bei der Mitgliederversammlung gefordert. Seine Strategie des „Einer für alles“ beim HSV scheint also aufzugehen. Doch ein bisschen „wir“ ist auch dabei: Ohne seinen Assistenten Eddy Sözer geht Labbadia ja keinen Schritt.

Na dann, viel Spaß, Urs Siegenthaler: am Dienstagabend entschied der Aufsichtsrat des Hamburger SV, den 62 Jahre alten Schweizer für drei Jahre unter Vertrag zu nehmen. Er beginnt seine Tätigkeit am 1. August. Er wird seinen neuen Job hierarchisch eine Stufe unter der des Vorstands aufnehmen – das war bei Beiersdorfer noch anders. Der war als Sportchef und zweiter Vorsitzender gleichberechtigt mit den beiden anderen Vorständen Bernd Hoffmann und Katja Kraus. Die 39 Jahre alte Kraus steigt zur zweiten Vorsitzenden auf; ihr ist der Bereich Sport organisatorisch und disziplinarisch zugeordnet. Heißt: Katja Kraus ist ab August Siegenthalers Chefin.

Der Schweizer wird sich um die Felder Spielphilosophie, Kaderentwicklung, Scouting und Nachwuchsarbeit kümmern. Gerade Hoffmann ärgert sich seit Jahren über die schlechte Talentpflege im eigenen Klub. Auch in Sachen Spielstil befand sich der HSV traditionell auf Schlingerkurs. „In den letzten sieben Jahren hatten wir sechs Trainer mit sechs Philosophien“, sagt Hoffmann, „das hat zu vielen unnötigen Transfers und Reibungsverlusten geführt.“

Siegenthaler steht noch bis Ende Juli des Jahres beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) unter Vertrag; als Chefscout hatte Siegenthaler seit Mai 2005 und vor allem während der WM in Deutschland 2006 einige Berühmtheit für seine klugen Analysen der gegnerischen Stärken und Schwächen erlangt. Im Kompetenzteam von Bundestrainer Jürgen Klinsmann war er der Fußball-Professor, der alles sah und jeden kannte. Der kluge Mann mit der kantigen Brille gilt als Querdenker mit Insider- Blick auf die weltweite Fußballszene.

Beim HSV hatte vor allem Kraus immer jemanden als Sportchef gesucht, der viel von Fußball versteht und mit frischen Ideen kommt, aber nicht auf lange Bundesliga-Erfahrung zurückblicken kann: Bloß keinen Stallgeruch, bitte. Beim HSV hofft man, dass Siegenthaler seine gute Vernetzung nutzt, erfolgreich nach Talenten forscht und erfahrene Profis findet, die woanders womöglich unzufrieden sind oder beim HSV den nächsten Karriereschritt machen wollen. Siegenthaler schaut auf eine langjährige Erfahrung im Schweizer Fußball als Spieler, Trainer und Berater zurück.

Bis nach der Weltmeisterschaft wird er noch beim DFB bleiben. Wie es danach mit dem Trainerteam um Joachim Löw und seinem Stab weitergeht, scheint ohnehin völlig offen. Zumindest Siegenthaler weiß schon, was er nach der WM machen wird.

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