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Der beste Deutsche und der beste Amerikaner: Thomas Haas.

© dpa

US Open: Der Tommy in Thomas Haas

Die US Open sind für den Wahlamerikaner Thomas Haas zu seinem Heim-Turnier geworden. Dank seines Ehrgeizes ist der 35-Jährige der beste Spieler beider Nationen.

Wenn es nach Thomas Haas ginge, dann bekäme der Begriff Globalisierung eine neue Dimension. Er würde sich eine neu kreierte Nationalfahne wünschen. Eine, die eine Mischung aus den amerikanischen „Stars and Stripes“ und den deutschen schwarz-rot-goldenen Streifen bildet. „Diese Flagge würde ich sehr gerne repräsentieren“, sagte Haas und schob mit Bedauern hinterher: „Aber sie existiert leider nicht.“ Und so steckt der unermüdliche 35-Jährige weiterhin in einem Dilemma. Einerseits ist Haas Hamburger (der sich bei seinen Eltern in München heimisch fühlt), der aber andererseits seit frühester Jugend in Amerika lebt und dort mit Lebensgefährtin und Tochter sein Zuhause gefunden hat. Seit drei Jahren besitzt Haas auch die amerikanische Staatsbürgerschaft, das war ihm lange ein Anliegen. Als kürzlich in Wimbledon alle US-Spieler früh ausgeschieden waren, wurde Haas als „Last American Standing“ betitelt und der fühlte sich geschmeichelt: „Das ist völlig okay für mich, das können sie gerne schreiben.“

Aber was ist er denn nun? Deutscher? Oder doch Amerikaner? Thomas oder Tommy – Haas ist selbst hin- und hergerissen und hatte kurzzeitig ernsthaft darüber nachgedacht, für die USA auf der Tennistour zu spielen. Er verwarf den Gedanken wieder. Doch die Amerikaner haben Haas schon lange adoptiert, für sie ist Tommy einer der Ihren. Und so feuern sie ihn auch jetzt bei den US Open in New York wieder lautstark an, fiebern und leiden mit ihm. Einer, der auf dem Platz so brennt und sich nach Verletzungen stets zurückgekämpft hatte, ist ganz nach ihrem Geschmack. Haas nennt die US Open sein Heimspiel. Dreimal schaffte er es in Flushing Meadows bis ins Viertelfinale, auch wenn das schon einige Jahre her ist. Haas liebt den Lärm, die Zuschauermassen, die hämmernden Beats bei den Seitenwechseln, das gigantische Arthur-Ashe-Stadium und die flirrende Hitze der Nachtmatches. „Es ist etwas Besonderes für mich, hier wieder dabei sein zu können“, freute sich Haas. Es sind seine 16. US Open, allzu viele werden nicht mehr hinzukommen.

Das weiß Haas, und deshalb quält er sich in jedem Training, um noch einmal das Maximale in New York herauszuholen. Dabei macht ihm die mehrfach operierte Schulter das Leben schwer, sein Physiotherapeut Carlos Costa ist im Dauereinsatz. „Es geht schon viel besser, als noch vor ein paar Wochen“, sagte Haas. Er arbeite daran, so fit wie möglich zu werden, um auch die brutalen Fünfsatzpartien auf dem Hartplatz zu überstehen. Vor einem Jahr war nach fünf Sätzen allerdings alles schon wieder vorbei. Die Niederlage gegen Ernests Gulbis hatte Haas mächtig geärgert. „Dieses Mal will ich besser abschneiden.“ In Paul-Henri Mathieu hat Haas jedoch ein undankbares Los erwischt: „Er ist ein sehr guter, solider Spieler, wenn er bei der Sache ist.“

Doch das ist der Franzose nicht, seine Frau kämpft seit fast einem Jahr gegen Krebs. Nach Tennis ist ihm wahrlich nicht zumute, aber Mathieu braucht das Geld und ständiges Fehlen lässt das Reglement nicht zu. Also spielt die ehemalige Nummer zwölf. Haas fühlt mit ihm, vor elf Jahren hätte er seine Eltern in Florida fast bei einem Motorradunfall verloren.

In New York will Haas sportlich an die Schmerzgrenze gehen, obwohl er nach einer harten Saison eigentlich eine Pause gebrauchen könnte. „Wenn ich nicht mehr spiele, habe ich viel Zeit, den Akku aufzuladen“, sagte er. Mit so viel Leidenschaft ist er längst wieder der beste deutsche Spieler geworden – der beste Amerikaner übrigens auch.

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