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Aufschlag in New York. Kerber kam letztes Jahr ins Halbfinale der US Open.

© dapd

US Open im Tennis: Angelique Kerber auf Schleichwegen zum Titel

Tennisspielerin Angelique Kerber wartet auf ihren ersten Grand-Slam-Sieg. Bei den US Open, wo im Vorjahr ihr Aufstieg begann, zählt sie zu den Favoritinnen. Doch spätestens ab der zweiten Runde könnte es schwierig werden.

Faul ist Angelique Kerber sicherlich nicht. Über eine Stunde lang hatte sie sich auf einem etwas abseits gelegenen Trainingsplatz vor den Toren der Anlage in Flushing Meadows ein schweißtreibendes Duell mit der Österreicherin Tamira Paszek geliefert, und trotz der heißen Temperaturen war Kerber tapfer jedem Ball hinterher gerannt. Dennoch schaute sie etwas verlegen, als sie durch das Gittertor den Platz verließ und auf einen parkenden Golfwagen zuging. „Ja ja, ich weiß“, wehrte Kerber ab und grinste, „der Weg zur Umkleide ist gar nicht so weit. Aber es geht zu Fuß einfach nicht mehr.“

Die 24-Jährige war nicht etwa zu erschöpft, um die gut 100 Meter zu laufen, vielmehr hätte ihr Gang quer über die Anlage der US Open wohl einen kleinen Volksauflauf verursacht. „Seit ich Serena geschlagen habe, erkennen mich die Amerikaner“, sagte Kerber, „jeder will ein Foto, ein Autogramm, und ich möchte es gerne allen recht machen. Aber irgendwann wird es zuviel.“ Der Sieg beim WTA-Turnier in Cincinnati gegen die derzeit so übermächtige Serena Williams war der vorerst letzte große Coup von Kerber gewesen, der sie bis auf Platz sechs der Weltrangliste katapultiert hatte. Die Kielerin, die sich eigentlich lieber im Hintergrund hält, steht nach ihrem rasanten Aufstieg nun endgültig im Rampenlicht. Und greift daher wie viele prominente Spieler auf die Schleichwege im Golfwagen zurück. Doch hilft das nicht immer. „Sogar wenn ich hier durch New York gehe, erkennen mich immer mehr Menschen und kommen auf mich zu“, sagte Kerber und ist über ihre neue Popularität selbst ein wenig verwundert.

Doch sie gewöhnt sich schnell an die Begleiterscheinungen des Erfolgs, und mittlerweile gefallen sie ihr sogar. Zurück in die zweite Reihe möchte Kerber nicht mehr, so wie noch vor einem Jahr, als sie an ihrer Berufswahl schier verzweifelte, alles hinwerfen wollte. Damals, als sie nach New York anreiste „kannte mich überhaupt keiner“, erinnerte sich Kerber. Sie konnte völlig unbehelligt über die Anlage schlendern, und niemand erwartete etwas von ihr. Doch Spaß machte Kerber das Profidasein damals nicht. Im Gegenteil, eigentlich wollte sie aufhören mit dem Tennis. Andrea Petkovic hatte sie jedoch mit Engelszungen zu einem Trainingslager im Vorfeld der US Open in der Schüttler-Waske-Akademie in Offenbach überredet. „Andrea hat mir damals immer wieder gesagt, dass ich jede schlagen kann und an mich glauben soll“, sagte Kerber. Und Petkovic' lebendige Art riss sie mit. Schritt für Schritt hievte sich Kerber aus dem Tief, das intensive Fitnessprogramm gab ihr den letzten Kick.

Niemand hatte sie bei den US Open auf der Rechnung gehabt, sie sich selbst am wenigsten. Nur ein Match wollte Kerber gewinnen, das war ihr Ziel. Es gelang ihr, und plötzlich schien sie sich von einer inneren Last befreit zu haben. „Es hat einfach boom gemacht“, meinte Kerber, „auf einmal wusste ich, dass ich vor keiner Spielerin Angst haben muss.“ Bis ins Halbfinale kämpfte sie sich in New York, und es sollte der Startschuss zu ihrem furiosen Höhenflug werden: mit zwei Titeln, dem Halbfinaleinzug in Wimbledon und einer Rekord-Bilanz von 53 Siegen in dieser Saison. „Es ist der Hammer, wie schnell dieses Jahr vergangen ist“, sagte Kerber nun, „und es ist so schön, wieder hier zu sein mit all den Erinnerungen – aber dieses Mal bin ich selbstbewusst angereist.“ Dass sie inzwischen auch bei den Grand-Slam-Turnieren zum Favoritenkreis zählt, daran hat sich Kerber gewöhnt. Doch zuviel Druck will sie sich nicht machen: „Ich habe mir die Auslosung gar nicht weiter angesehen, ich schaue nur auf die erste Runde.“ Dort wartet mit der Britin Anne Keothavong zunächst eine Pflichtaufgabe. In Runde zwei könnte sie allerdings auf ein anderes Kaliber treffen: Es droht ein Duell mit Venus Williams, der dreizehnfachen Grand-Slam-Siegerin. Doch muss Kerber nicht bange werden, bei den Olympischen Spielen in London besiegte sie Williams im Achtelfinale. Und insgeheim hofft Kerber darauf, dass es in New York ein zweites Mal „boom“ machen wird, und ihr der letzte, große Schritt gelingt: der Grand-Slam-Titel.

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