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Das war noch gut. Lisicki in Wimbledon.

© picture alliance / dpa

US Open: Lisicki und die neuen Begehrlichkeiten

Sabine Lisicki steht nach dem Finale in Wimbledon bei den US Open unter Zugzwang. Von der Berlinerin wird mehr erwartet als je zuvor.

Sabine Lisicki hörte gar nicht mehr auf zu lächeln, als sie vor dem Zaun zu den Trainingsplätzen Dutzende Autogramme auf riesige Tennisbälle, T-Shirts und Fotos kritzelte, die ihr die wartenden Fans aufgeregt entgegenreckten. „Sabine, please!“, flehten sie ein paar Kinderstimmen an, und schon strahlte die Berlinerin auf dem gemeinsamen Foto mit ihnen um die Wette. In Flushing Meadows im New Yorker Stadtteil Queens wissen sie genau, wer diese blonde Tennisspielerin ist, die immerzu so schön lächelt. Sabine Lisicki hatte sich nicht nur bei den Briten mit ihrem Finaleinzug in Wimbledon in die Herzen gespielt, auch in den USA hat sie viele neue Fans gewonnen. Und in Deutschland holte die 23-Jährige sogar die Nostalgiker zurück vor den Bildschirm, die seit den Glanztagen von Graf und Becker dem Tennissport abgeschworen hatten. „Viele haben mir geschrieben“, erzählte Lisicki, „dass sie wegen mir wieder geschaut habe. Wohl weil sie mir die Freude am Spielen ansehen.“

Diese Freude war ihr im Finale gegen die Französin Marion Bartoli kurzfristig abhanden gekommen, als so gar nichts funktionieren wollte. Sogar Tränen waren gekullert, und das mitten im Match. Lisicki war so tief enttäuscht, dass es „knapp nicht gereicht hat, mir meinen Lebenstraum zu erfüllen.“ Doch der anschließende Hype tröstete sie schnell: großer Empfang am Berliner Flughafen Tegel, eine live übertragene Pressekonferenz, etliche Fototermine, 23 Interviews in zwei Tagen, zudem gingen bei ihrem Management etwa 50 Anfragen potenzieller Sponsoren ein. Lisicki absolvierte den Medien-Marathon souverän – und natürlich lächelnd. Das Rampenlicht behagt ihr. „Ich freue mich einfach auf alles, was jetzt passieren wird“, sagte Lisicki. Doch ab Montag steht sie erst einmal bei den US Open unter Druck. Sie muss den Erfolg aus Wimbledon beim letzten Grand-Slam-Turnier des Jahres bestätigen. Leicht wird das nicht, denn der Hype war zügig dem Alltag gewichen.

Fünf Wochen lang spielte sie nach dem Finale kein Turnier mehr, zog sich in ihr zweites Zuhause in Bradenton im US-Staat Florida zurück und quälte sich mit Fitnesstraining. Die amerikanischen Hartplätze sind die körperlich forderndsten, und nur wer in Bestform ist, kann dort mithalten. In den sozialen Netzwerken postete Lisicki Fotos von sich bei schweißtreibenden Konditionsübungen am Strand oder bei der Regeneration im Eisbad. Dabei plagte sie sich mit einer Blessur am Handgelenk. In Stanford, Carlsbad und Toronto musste sie absagen. Und als sie schließlich in Cincinnati auf die Tour zurückkehrte, war Lisicki nach dem ersten Match gegen die Weltranglisten-14. Jelena Jankovic gleich wieder draußen. In New Haven schaffte sie in dieser Woche auch nur einen Sieg, optimal ist das im Hinblick auf die US Open nicht. „Ich konnte mich nicht so gut vorbereiten, wie ich wollte“, erklärte Lisicki und betonte: „Aber jetzt fühle ich mich fit.“

Verletzungen kennt sie zur Genüge, Rückschläge genauso. „Ich bin an Niederlagen immer gewachsen und danach noch stärker zurückgekommen“, sagte sie fast ein bisschen trotzig. Vor drei Jahren war Lisicki mal bis auf Rang 179 abgestürzt, und dass sie viele damals schon abgeschrieben hatten, spornte sie umso mehr an. Sie ist ehrgeizig, und obwohl Lisicki stets lächelnd betont, sie wolle ja bloß Spaß auf dem Platz haben und das Tennis genießen, so treiben sie doch die höchsten Ziele an. Die Nummer eins will sie werden, das hat Lisicki nie verhehlt. Unter die Top Ten zu kommen ist für die Weltranglisten-18. derzeit nur eine angepeilte Zwischenstation. Dort möchte sie lieber gestern als morgen hin.

Die Konkurrentinnen beäugen die junge Berlinerin mit Argusaugen, und dass sie sie jetzt noch ernster nehmen, gefällt Lisicki gut. Doch New York war für sie bisher nur ein mäßiges Pflaster, mehr als ein Achtelfinale steht nicht zu Buche. Vor einem Jahr kam das Aus bereits zum Auftakt, sie hatte sich zuvor bei den Olympischen Spielen in London verletzt und hätte besser gar nicht antreten sollen. Doch so ist das mit den Ambitionen, und der jüngste Erfolg hat nun noch größere Begehrlichkeiten geweckt. Bei ihr selbst ohnehin.

Gegen die Russin Vera Duschewina muss Lisicki in der ersten Runde schnell wieder in die Spur finden, soll der Hype neuen Schwung bekommen. Bisher konnte sie noch bei keinem der interessierten Sponsoren Vollzug vermelden. Und in welcher Größenordnung sich die möglichen Verträge bewegen, wollte ihr Management nicht preisgeben. Dennoch habe man nach den US Open vier Tage für Öffentlichkeitsarbeit eingeplant, unter anderem wird Lisicki in der neuen Show „Die Zwei“ von Jauch und Gottschalk auftreten – ungeachtet, wie sie in New York abschneidet. Es bleibt ihr zu wünschen, dass sie bei ihrem Gastauftritt einen Grund zum Lächeln hat. Tun wird es Sabine Lisicki aber so oder so.

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