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Sport: Verbiesterte Helden

Türkeis Fußball-Nationalelf hat ihren Glanz als WM-Dritter verloren und zittert nun um die EM-Teilnahme 2004

Istanbul. Ein Ausdruck der traditionellen türkischen Gastfreundschaft war das nicht gerade. Als die Fußball-Nationalmannschaft von Lettland zum entscheidenden Spiel um die EM-Teilnahme in Istanbul eintraf (Mittwoch, 19.30 Uhr), musste die Delegation eine Stunde lang an der Passkontrolle warten. Anschließend wurde ihr Gepäck von Suchhunden der Drogenpolizei durchschnüffelt. Vor dem Hinspiel, das die Türken 0:1 verloren, sei es den türkischen Spielern in Riga genauso ergangen, begründeten die Gastgeber den feindseligen Empfang. Diese kleinlichen Schikanen sind ein Zeichen der Schwäche: Die türkische Mannschaft ist weit von der Form ihres WM-Erfolges vom vergangenen Jahr entfernt. Sie spielt schlecht und hat ihre Emotionen nicht unter Kontrolle - am Mittwoch fehlen drei Stammspieler wegen Gelber und Roter Karten.

„Wie Schmuggler“ seien sie behandelt worden, beschwerten sich Mitglieder der lettischen Delegation nach der langwierigen Prozedur am Flughafen. Unerwartet war das Verhalten der türkischen Behörden aber nicht. Der Chef des türkischen Fußballverbandes, Haluk Ulusoy, hatte nach der Rückkehr aus Riga angekündigt, die Türkei werde fortan ihre Gegner nicht wie Gäste behandeln. Das war nicht der einzige Ausrutscher des Verbandschefs. Auch die Wahl des Schiedsrichters für das entscheidende Spiel im Inönü-Stadion von Istanbul schmeckte ihm nicht. Denn der Unparteiische ist Anders Frisk, ein Schwede. Jeder wisse doch von den engen Beziehungen zwischen Schweden und Lettland, sagte Ulusoy. Schon beim Hinspiel in Riga sahen sich die türkischen Spieler als Opfer des Schiedsrichters, des Franzosen Gilles Veissiere.

Ulusoy und die Mannschaft greifen damit auf den alten Grundsatz zurück, dass man sich nicht so sehr über die eigene Leistung ärgern muss, wenn man sich über den Schiedsrichter aufregen kann. Dabei gäbe es zum Thema Leistung einiges zu sagen, finden die türkischen Zeitungen. Stürmer Ilhan Mansiz und Spielmacher Nihat Kahveci versagten in Riga völlig, anderen Stars ging es nicht viel besser. Hinzu kam die Hitzköpfigkeit vieler Spieler. Mittelfeldmotor Emre Asik, Verteidiger Fatih Akyel und Torhüter Rüstü Recber werden wegen Spielsperren beim Rückspiel fehlen.

Nicht zum ersten Mal schwäche sich die Türkei selbst, schrieb die Zeitung „Sabah“ erbost: „Es gibt viele Beispiele dafür, wie unsere Fußballer ihre Mannschaft mit unnötigen Karten in wichtigen Spielen in eine schwierige Lage bringen.“ All das hat die Nationalmannschaft in der Achtung vieler Türken bereits sinken lassen, wie schon das 0:0 gegen England im Oktober. Jetzt kommen noch Berichte über die Raffgier der Spieler hinzu. Kapitän Hakan Sükür soll vor dem Spiel in Riga mit Trainer Senol Günes um eine Siegprämie für die Spieler gefeilscht haben. Günes sei so erbost gewesen, dass er Sükür aus der Mannschaft entfernte und ihn als Zuschauer auf die Tribüne verbannte.

Die Mannschaft wisse, dass sie nach dem Spiel in Riga bei der Nation in der Schuld stehe, sagt Abwehrchef Bülent Korkmaz. Doch selbst wenn die Angelegenheit aus türkischer Sicht noch einmal gutgeht und der Weltmeisterschafts-Dritte an der EM teilnehmen darf, ist klar: Die WM-Nationalhelden der Türkei haben sich seit ihren Triumphen 2002 selbst um ihren Ruhm gebracht.

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