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Sport: Verdächtig intellektuell

Von Stefan Hermanns Miyazaki. Der Montag in Miyazaki fing nicht besonders gut an für Christoph Metzelder.

Von Stefan Hermanns

Miyazaki. Der Montag in Miyazaki fing nicht besonders gut an für Christoph Metzelder. Harald Stenger, der Pressesprecher des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), hatte ihm einen Ausdruck aus dem Internet in die Hand gedrückt, einen Text aus dem aktuellen „Spiegel“, der zu Hause in Deutschland gerade an die Kioske ausgeliefert wurde. In der Einschätzung des Berichts gingen die Meinungen ein wenig auseinander. Stenger fand die Geschichte „relativ harmlos für den Spiegel“, Christoph Metzelder, Verteidiger der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, hingegen fühlte sich missverstanden: Als „altklug und staatsmännisch“ sah er sich durch das Nachrichtenmagazin dargestellt.

Der „Spiegel“ schreibt, Metzelder sei „sittsam und fleißig, etwas naseweiß und im Anspruch vermessen". Vielleicht hätte der Profi von Borussia Dortmund vor einem Jahr mehr Probleme mit solchen Aussagen gehabt. „Es trifft einen schon“, sagt er, „aber man nimmt das nicht mehr ganz so persönlich.“ Obwohl mit 21 noch jung an Jahren, verfügt Metzelder bereits über genügend Erfahrung, um mit solchen Sachen fertig zu werden. Er ist mit Borussia Dortmund gerade Deutscher Meister geworden, hat mit seinem Verein das Uefa-Cup-Finale erreicht, und im deutschen WM-Kader ist er der jüngste aller 23 Spieler. Vor zwei Jahren hat Metzelder noch bei Preußen Münster in der Regionalliga gespielt.

Innerhalb kürzester Zeit ist der Verteidiger aus Dortmund zu einem der Protagonisten der Generation 2006 geworden, die in vier Jahren die Weltmeisterschaft in Deutschland gewinnen soll. Doch der rasche Aufstieg des Christoph M. täuscht ein wenig über die Tatsache hinweg, dass nicht alles so einfach für ihn war, wie es aus der Rückschau erscheinen mag. Metzelder sagt selbst, „dass ich im Vergleich zu meinen Altersgenossen nie so das Riesentalent hatte". Ein paar glückliche Zufälle kamen ihm zu Hilfe. Man könnte auch sagen: Die Umstände seiner Karriere haben seiner Entwicklung mit Sicherheit nicht geschadet. „Vermutlich war es ein Vorteil, dass ich einen völlig anderen Weg gegangen bin“, sagt Metzelder.

Mit 15 ist er vom Tus Haltern aus seiner Heimatstadt zu Schalke 04 gewechselt. Statt wie bisher mit seinen Freunden ein bisschen Spaß beim Fußballspielen zu haben, musste er sich plötzlich dem Konkurrenzkampf zukünftiger Bundesligaprofis stellen. Zumindest fühlten sich viele so, als hätten sie den Vertrag bei Rudi Assauer schon unterschrieben, und von ihren ehrgeizigen Eltern wurden sie in dieser Einstellung auch noch bestärkt. Für Metzelder war das neu, auch das Gerede hinter seinem Rücken. Er blieb nur ein Jahr bei Schalke, aber in diesem Jahr hat er gelernt, „die Ellbogen auszufahren".

Christoph Metzelder war nie in der Position, dass er dem Irrglauben hätte verfallen können, es gehe alles von alleine. Mit Preußen Münsters A-Jugend spielte er in der Regionalliga gegen den Nachwuchs der nordrhein-westfälischen Bundesligaklubs. Woche für Woche hat die Mannschaft „Prügel bekommen“, aber diese Erfahrung hat Metzelder letztlich mehr geholfen, als jedes Spiel zu gewinnen und „bei fünf oder sechs zu null im Sog der anderen mitzuschwimmen. Viele junge Spieler scheitern daran, dass sie immer wieder hören, wie gut sie sind.“ Im Anspruch vermessen ist Metzelder schon deshalb nicht, weil er seine Fähigkeiten immer noch realistisch einschätzt. Selbst wenn er bei der WM vier- oder fünfmal auf der Tribüne sitze, „habe ich unheimlich viel Erfahrungen gesammelt". Wegen solcher Aussagen fühlt sich der „Spiegel“ vermutlich an einen „Fußballroutinier mit abgeschlossenem Rhetorikkurs“ erinnert. Es kommt nicht oft vor, dass sich Journalisten über zu große rhetorische Begabung bei Fußballern beklagen. Meistens ist es umgekehrt. Doch Christoph Metzelder gehört nicht zur Ja-gut-ich- sach-mal-Fraktion. Vielleicht macht ihn das schon verdächtig in einer Branche, in der Intelligenz nur mit dem Präfix Spiel- geschätzt wird.

Christoph Metzelder merkt inzwischen selbst, dass ihm ein bisschen das Image des Intellektuellen angeheftet wird. Einem Fußballspieler kann das schnell passieren. Manchmal reicht es schon zu sagen, dass man lieber ein Buch liest, als mit der Playstation auf elektronische Rekordjagd zu gehen. Zurzeit „Im Krebsgang“ von Günther Grass. „Ich schäme mich nicht dafür, dass ich Abitur habe, Bücher lese und in die Kirche gehe“, sagt er.

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