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Viele Fußballfans fühlen sich von den großen Verbänden nicht ernstgenommen.

© Kevin Kurek/dpa

"Verein für Integrität im Profifußball“: FC Play Fair kämpft gegen zu viel Kommerz

Viele Fans sind enttäuscht von den großen Verbänden und dem Profifußball an sich. Eine neue Initiative setzt sich für ein gesundes Maß der Kommerzialisierung ein.

André Bühler kann die Warnungen schon nicht mehr hören. Die Bundesliga müsse aufpassen, dass sie den Anschluss an die englische Premier League mit dem milliardenschweren neuen Fernsehvertrag nicht verliert, heißt es bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) regelmäßig. „Ich finde nicht, dass England ein erstrebenswertes Beispiel ist“, sagt Bühler. Der Professor für Marketing an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen-Geislingen und Direktor des Deutschen Instituts für Sportmarketing hat zwischen 2003 und 2006 in England promoviert und erkennt viele der damaligen Entwicklungen heute im deutschen Fußball wieder.

„Umsatz darf nicht der einzige Indikator sein“, sagt Bühler. Zwar ist dieser in England so hoch wie sonst nirgendwo, zahlreiche Fans können sich die Glitzerwelt Premier League aber gar nicht mehr leisten. „Viele Engländer fliegen lieber für ein Wochenende nach Deutschland, um sich hier ein Bundesligaspiel anzuschauen“, sagt Bühler. Selbst mit Flug und Hotel sei das oft günstiger als der Eintritt bei Manchester United, dem FC Arsenal oder dem FC Liverpool. Die Warnsignale in Deutschland seien aber bereits deutlich zu sehen: Demnächst gibt es Bundesligaspiele an vier von sieben Wochentagen, die Champions League verschwindet ab 2018 vollkommen im Pay-TV und die Ticketpreise steigen fast genauso schnell wie die Gehälter der Profis. Dazu kommen zahlreiche Skandale um den Weltverband Fifa, aber auch auf nationaler Ebene.

Für André Bühler und seine Mitstreiter war vor einem Jahr der Zeitpunkt gekommen, nicht nur zu meckern, sondern etwas zu tun. Sie gründeten den „FC Play Fair – Verein für Integrität im Profifußball“. „Uns vereint die Sorge um den Fußball und wir wollen nicht in 30 Jahren zurückblicken und uns ärgern, dass wir nichts unternommen haben“, sagt Bühler. Besserwisser gebe es viele, Bessermacher nur sehr wenige – das ist so etwas wie das inoffizielle Motto des Vereins. Dem gehören mittlerweile 30 Mitglieder an, darunter Unternehmer, Juristen, Wissenschaftler und der frühere Fußballprofi Thomas Ernst. Damit unterscheidet sich Play Fair wesentlich von anderen Initiativen, die entweder aus Amateurvereinen oder aus der Ultra-Bewegung hervorgingen.

"Wir sind keine Träumer"

„Wir sind keine Träumer“, sagt Bühler. Ohne Marketing und Geld gehe es im Profifußball nicht, dem „sehr bürgerlichen“ Verein gehe es aber um ein gesundes Maß der Kommerzialisierung. Um herauszufinden, wie ein solches aussehen könnte, hat Play Fair in Kooperation mit dem Magazin „Kicker“ Anfang des Jahres eine große Studie unter Fußballfans durchgeführt. An der „Situationsanalyse Profifußball 2017“ nahmen mehr als 17.000 Anhänger teil. Mehr als die Hälfte von ihnen gab an, sich früher oder später vom Fußball abwenden zu wollen, wenn sich die Kommerzialisierung weiterhin so entwickelt. „Diese Tendenz hatte ich schon in vielen Gesprächen mitbekommen, jetzt haben wir aber eine empirische Basis“, sagt Bühler.

Auch wenn in der Studie Lösungsvorschläge anklingen, hält sich Play Fair mit konkreten Forderungen zurück. Mit einer Ausnahme: Jeder Profiverein sollte einen Fanbeauftragten im Aufsichtsrat installieren. Das große Ziel von Play Fair sei es, mit Profiklubs und Verbänden ins Gespräch zu kommen. Mit der DFL soll es in den kommenden Wochen ein Treffen geben. Viele Bundesligavereine hätten sich inoffiziell sehr positiv über die Studie geäußert, sagt Bühler.

Mehr Transparenz und Teilhabe, das wünschen sich viele Fußballfans. Denn die Anhänger sehen sich als große Verlierer der jüngsten Entwicklung. „Einige wenige treffen die Entscheidungen und das auf dem Rücken der Fans“, sagt Bühler. „Das verursacht eine große Ohnmacht und Resignation.“ In der Studie stimmten fast 80 Prozent der Teilnehmer der Aussage zu, dass den Funktionären das Geld wichtiger zu sein scheine als der Fußball an sich.

Bühler sieht den deutschen Fußball an einem gefährlichen Punkt. In der Wirtschaft gebe es das Prinzip des Gesundschrumpfens. Doch im Fußball gehe es immer nur um neue Superlative. Das könne nicht ewig funktionieren. „In England sehe ich eine große Blase, die irgendwann platzt“, sagt Bühler. „Und wenn es so weitergeht, macht sich die DFL ihr Premiumprodukt Bundesliga auch kaputt.“

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