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Vereine: Zocken für den Sport

Vereine leiden unter sinkenden Lotto-Einnahmen. Die Deutschen wetten zu wenig - das bekommen die Vereine zu spüren.

Von Akrobatik bis Judo, von Schwimmen bis Volkstanz – beim Turn- und Sportverein Spandau ist viel los. Die rund 5000 Mitglieder trainieren in 30 Turnhallen, auf drei Sportplätzen, in zwei Schwimmbädern und auf einem Tennisplatz. „Da gibt es viel zu koordinieren“, sagt Vereinssprecher Thorsten Hanf. Und für die Hobbyturner muss jemand diese Arbeit effizient und professionell erledigen: ein hauptamtlicher Vereinsmanager.

Noch vor zwei Jahren bezuschusste der Senat die Arbeit des Vereinsmanagers mit 10 000 Euro im Jahr aus Abgaben der Deutschen Klassenlotterie Berlin. „Der Turn- und Sportverein Spandau wächst“, sagt Hanf. Und obwohl demnach eher mehr Arbeit anfallen dürfte, bekommt der Vereinsmanager nun 1000 Euro weniger Zuschuss. Der Grund: Die Deutschen wetten zu wenig.

Im ganzen Land könnte bei Freizeitsportvereinen demnächst das Geld knapper werden, denn die bundesweit sinkenden Glücksspielumsätze führen überall zu weniger Abgaben. Von den bisher rund vier Milliarden Euro wurde der organisierte Sport mit etwa 500 Millionen Euro unterstützt – viele Vereine bestreiten zwischen zehn und 40 Prozent ihres Etats aus Glücksspielabgaben. Prognosen des Lottoverbandes zufolge ist bis Jahresende aber mit rund zehn Prozent weniger Geld aus den Glücksspieltöpfen zu rechnen. Schon von 2007 zu 2008 rutschen Steuern und Abgaben aus der Branche von 4,5 auf 3,8 Milliarden Euro. Sportfunktionäre fürchten nun, dass auch in den Vereinen demnächst bis zu zehn Prozent weniger Geld ankommt. Dann könnten dem Breitensport insgesamt rund 50 Millionen Euro fehlen.

In der Hauptstadt bekamen Senat und Landessportbund, die das Geld an die Vereine verteilen, 2008 noch 15,6 Millionen Euro aus Abgaben der Deutschen Klassenlotterie Berlin – immerhin schon 200 000 Euro weniger als 2007. Im Vergleich zum Vorjahr hatte etwa der Berliner Fußball-Verband 2008 rund 40 000 Euro weniger erhalten. „Noch haben wir aber nur an Sachkosten gespart“, sagt Präsident Bernd Schultz. Doch die für Sport reservierten Lottogelder werden knapper. „In diesem Jahr sind es nur 13,3 Millionen Euro“, bestätigte die Senatssportverwaltung dem Tagesspiegel.

Michael Vesper, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes, warnt vor Panik: „Man muss erstmal beobachten, ob es sich dabei um einen anhaltenden Trend handelt.“ Die Wettlaune der Deutschen könne sich ändern. Vom Landessportbund Berlin heißt es, die staatliche Förderung des Breitensports gehe schon seit 15 Jahren zurück: Als Mittel der Klassenlotterie Berlin für Vereinsinvestitionen, etwa Sanierungen, standen 1993 umgerechnet rund neun Millionen Euro zur Verfügung. 2008 waren es 1,6 Millionen Euro.

Insbesondere der Breitensport ist auf Lottogelder angewiesen, da Sponsoring durch kaufkräftige Unternehmen dort kaum eine Rolle spielt. Fehlende Finanzmittel kann der Staat zwar aus dem allgemeinen Steuertopf ausgleichen. Einen Rechtsanspruch auf öffentliche Gelder gibt es nicht, heißt es vom für Sport zuständigen Bundesinnenministerium. Und das selbst dann nicht, wenn Sport – wie derzeit diskutiert wird – als Staatsziel in das Grundgesetz aufgenommen wird. Das Bundesinnenministerium erklärt: „Staatsziele haben vorwiegend deklaratorischen Charakter. Aus ihnen folgen unmittelbar keine Pflichten oder Ansprüche.“

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