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Glatt und unberührbar: Cristiano Ronaldo weist sämtliche Vorwürfe von sich.

© Vasily Maximoc/AFP

Vergewaltigungs-Vorwürfe gegen Ronaldo: Juventus Turin setzt ein falsches Zeichen

Ronaldos Verein und der portugiesische Fußballverband stellen sich hinter ihren Star. Sie haben nicht verstanden, dass es um mehr als Sport geht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Nantke Garrelts

Dieses verdammte eine Prozent. So groß soll der Anteil an Cristiano Ronaldos Persönlichkeit sein, der ihn 2009 die US-Amerikanerin Kathryn Mayorga vergewaltigen ließ. Das behauptet sie im "Spiegel". Ein Prozent seiner Persönlichkeit also macht das Dunkle, Rücksichtlose, Raubtierhafte aus, glaubt man der Aussage Mayorgas. Sie beschreib, das Ronaldo dies nach der angeblichen Vergewaltigung selbst gesagt haben soll: "Zu 99 Prozent bin ich ein guter Kerl, ich weiß nicht, was mit diesem einen Prozent ist".

Nun sind diese Behauptungen nicht bewiesen und werden auch schwer zu beweisen sein, sollen sie doch zwischen den beiden im Schlafzimmer von Ronaldos Penthouse in Las Vegas gefallen sein. Zeugen gibt es dafür nicht. Für den Verdacht, dass Ronaldo eine physische, legale und menschliche Grenze überschritten hat, aber liegen zumindest Indizien vor, die eine Ermittlung rechtfertigen.

Die Reaktionen auf die Vorwürfe zeigen: Dieses eine Prozent ist dem Sport egal. Ronaldos Verein Juventus Turin twitterte am Mittwoch, dass Ronaldo in letzter Zeit seine große Professionalität und Hingabe gezeigt hätte. "Die Ereignisse, die angeblich zehn Jahre zurückliegen, ändern nichts an dieser Meinung, die von allen geteilt wird die mit diesem großen Champion zu tun gehabt haben." Der portugiesische Fußballverband beschloss zwar, Ronaldo vorerst nicht mehr für die Nationalmannschaft spielen zu lassen - offiziell verzichtet er aus eigenen Stücken. Verbandspräsident Gomes aber mag sich von seinem Leistungsträger nicht so recht distanzieren. „Ich kenne Ronaldo auch seit vielen Jahren und kann seinen guten Charakter bezeugen“, sagte er.

Das Problem mit diesen Aussagen ist nicht die Frage, ob Ronaldo ein kompetenter Fußballspieler oder ein feiner Kumpel ist. Der Skandal besteht darin, dass millionenschwere Vereine und nationale Sportverbände bewusst beide Augen verschließen und sich gleichzeitig die Ohren zuhalten, um nicht das hässliche eine Prozent zu sehen, das sich eventuell doch unter der makellos glänzenden Oberfläche der Figur Ronaldo verbergen könnte - wenn die Amerikanerin Recht haben sollte.

Beispiel Kavanaugh

Es geht um nicht weniger als um die Frage der Integrität: Kann ein Mensch ein guter Mensch sein, wenn er in einem Bruchteil seines sonst tadellosen Lebens unehrlich und übergriffig agiert? Und kann der Sport für Werte wie Fair Play und Inklusion stehen, wenn er den Narzissmus und die giftigen Männlichkeitskonzepte, die leider immer noch vorherrschen, nicht nur toleriert, sondern auch propagiert?

Ein Beispiel, wie man es besser machen könnte, spielt sich gerade in Washington, D.C. ab. Dort fanden vergangene Woche die Anhörungen zum Fall Brett Kavanaugh statt. Auch hier ging es um Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs, in diesem Fall sogar vor 36 Jahren. Das Rechtskomittee des Kongresses hörte sowohl die Anklägerin, die Psychologieprofessorin Christine Blasey Ford, als auch den Anwärter auf das Amt eines Verfassungsrichters, Brett Kavanaugh, an. In diesem Fall überprüft der Arbeitgeber, der amerikanische Staat, ob ein Kandidat moralisch geeignet ist für das Amt des obersten Richters.

Nun ist ein Fußballspieler kein Verfassungsrichter, dennoch sollte man die Strahlkraft eines Ronaldo nicht unterschätzen. Überall in der Welt laufen kleine Jungen und Jugendliche in Ronald-Trikots herum, schauen vor dem Einschlafen auf Ronaldo-Poster, verfolgen seinen Twitter-Kanal und jedes seiner Spiele.

Sollte Ronaldo tatsächlich versucht haben, das eine unerwünschte Prozent durch ein Schweigeabkommen und Dementi zu vertuschen, kann er ebenso wenig wie Kavanaugh ein Vorbild für Integrität und Charakterstärke sein. Dieses Signal müssen auch die Vereine und Verbände setzen. Tun sie das nicht, würden sie Jungen und Männern signalisieren, dass übergriffiges Verhalten für einen Sportler akzeptabel ist, solange sie gut genug spielen.

In beiden Fällen aber geht es um mehr: Ein Jahr nach dem Beginn der #metoo-Bewegung fühlen Frauen sich ermutigt, das Fehlverhalten von Männern öffentlich bekannt zu machen. Die reaktionen des Klubs und des Verbands zeigen den Frauen dieser Welt, dass es sich nicht lohnt, einen berühmten Fußballspieler anzuzeigen, weil der Sport sich hinter sie stellt und sie unbeschadet davonkommen, während die Anklägerinnen mit Hass und Trauma umgehen müssen. Nach #notoracism müsste sich der Fußball jetzt auch #notosexualviolence-Armbinden überstreifen.

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