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Sport: Verliebt ins schöne Spiel

Hertha BSC scheitert beim 2:2 in Bochum an fehlender Effektivität

Im Augenblick der vermeintlichen Entscheidung ergriff Falko Götz erste Korrekturmaßnahmen. Als seine Entourage noch wild jubelnd Gilbertos Tor zum 2:0 feierte, redete Herthas Trainer auf den jungen Verteidiger Malik Fathi ein, wies ihn auf Fehler im Stellungsspiel hin, gab neue Anweisungen und schickte ihn dann mit einem Klaps auf den Rücken zurück aufs Feld. Eine Viertelstunde war im Bochumer Ruhrstadion gespielt, Hertha hatte sich eine beruhigende Führung erarbeitet und das Publikum begeistert. Doch Götz findet auch in solchen Momenten immer Ansätze zur Verbesserung. Diese Mentalität geht seiner Elf bisweilen ab.

75 Minuten später stand es 2:2. „Der Ärger über das Ergebnis überlagert die Freude über das gute Spiel“, sagte Manager Dieter Hoeneß. Hertha hatte zwei Punkte verschenkt und die Gelegenheit verpasst, sich mit dem Sprung auf Platz vier der Fußball-Bundesliga eine größere öffentliche Anerkennung zu verschaffen. Während Bielefeld, Mainz, Hannover und ihre Trainer immer noch für ihren zeitgemäßen Konzeptfußball gefeiert werden, in der Tabelle aber stetig nach unten stürzen, ist der schleichende Aufschwung der Berliner, ihr reifes Spiel und das taktische Geschick ihres Trainers weitgehend unbeachtet geblieben. Sogar Bundestrainer Klinsmann schien überrascht, als er zur Pause Herthas beeindruckenden Auftritt lobte. Dabei spielt die Mannschaft seit Wochen so.

Die größte Stärke Herthas wird allerdings gelegentlich zum größten Problem. Die Spieler ergötzen sich manchmal zu sehr an ihrer kreativen Kraft und verleugnen dabei das Ziel des Spiels: Tore zu schießen und zu gewinnen. „Wir sind ein bisschen zu selbstverliebt“, klagte Hoeneß. Wenige Minuten vor dem Ausgleich der Bochumer besaßen zuerst Marcelinho und dann Yildiray Bastürk die Chance zum entscheidenden 3:1. Marcelinho aber wartete mit dem Abschluss zu lange, und Bastürk wollte nach einem feinen Solo den Ball ebenso fein ins Tor schieben, verfehlte das Ziel bei seinem Versuch jedoch deutlich. Bezeichnenderweise resultierte auch das 2:2 aus dem Wahn, die gefährliche Situation spielerisch lösen zu können. „Der Ball muss einfach weggeköpft werden“, sagte Hoeneß. Stattdessen ließ sich Herthas Abwehrspieler van Burik erfolglos auf einen Zweikampf mit Vratislav Lokvenc ein.

Bereits zum vierten Mal in dieser Saison verspielte Hertha eine Führung. „Zu inaktiv“ hatte Trainer Götz sein Team in der zweiten Halbzeit erlebt. „Wir haben aufgehört, Fußball zu spielen“, sagte Bastürk, und den Mannschaftskapitän Arne Friedrich erinnerte die Begegnung „an Spiele, die wir schon hatten: Da hätten wir den Sack zumachen müssen“. In der vorigen Saison hatten die Berliner sogar zehn Mal geführt und nicht gewonnen. Doch damals lag dies vor allem an der Verunsicherung der Mannschaft im Abstiegskampf.

Diesmal ist es genau umgekehrt. Herthas Spiel leidet unter der fehlenden Effektivität. „Das ist kein grundsätzliches Problem“, sagt Hoeneß. Aber eine periodisch wiederkehrende Erscheinung. „Es ist wichtig, dass man das richtige Maß findet“, sagte Hoeneß über das Missverhältnis zwischen Kunst und Konsequenz. Man müsse auch mal den einfachen Pass spielen, kälter auftreten im Abschluss. „Gute Techniker können das.“

Die Frage ist, ob sie es auch wollen.

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