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Sport: Verlieren leicht gemacht

Richard Leipold über die Hinterbliebenen von Bayer Leverkusen Wäre das Fußballprodukt Bayer Leverkusen nach den Regeln der Börse zu beurteilen, gerieten die Analysten in Erklärungsnot. Noch im Mai boomte das Fußballwerk Marke Bayer 04.

Richard Leipold über die Hinterbliebenen von Bayer Leverkusen

Wäre das Fußballprodukt Bayer Leverkusen nach den Regeln der Börse zu beurteilen, gerieten die Analysten in Erklärungsnot. Noch im Mai boomte das Fußballwerk Marke Bayer 04. In der sportlichen Hausse hielt mancher die Leverkusener für unterbewertet. Die sicher geglaubte Meisterschaft verspielt, die Endspiele um die Champions League und den deutschen Pokal verloren: Es blieben lauter zweite Plätze. Trotz hervorragender Kennzahlen im nationalen und internationalen Geschäft bestätigte die Mannschaft das Vorurteil, sie könne keinen Titel gewinnen; sie kultivierte das Verliererimage, das ihr seit jener vor mehr als zwei Jahren in Unterhaching verlorenen Meisterschaft anhaftet. Nur die Orte der traumatischen Erlebnisse haben gewechselt.

Aber war der Leverkusener Fußball im vorigen Mai wirklich unterbewertet? Die aktuelle Lage legt nahe, das Gegenteil zu vermuten. Die Mannschaft spielte am Limit ihres Leistungsvermögens. Das gelingt ihr seit Beginn dieser Saison nicht mehr. Fünf Punkte aus sechs Bundesligarunden, dazu eine Demontage beim 2:6 in der Champions League gegen Olympiakos Piräus. Derzeit lernen die Leverkusener, was es wirklich heißt, sich als Verlierer zu fühlen. Am Samstag zeigten die Bayer-Profis ihre beste Saisonleistung; sie war nicht einmal gut genug, um gegen müde Bremer zu punkten, die erst am Freitagmorgen von ihrer Dienstreise aus Donezk zurückgekehrt waren. Die Niederlage gegen Werder mag Trainer Toppmöller Mut gemacht haben, aber sie steht nicht für eine Trendwende. Anders als den Konkurrenten Borussia Dortmund und Bayern München ist es den Leverkusenern gerade nicht gelungen, den Schmerz und die Schmach aus der Champions League umgehend mit einem Sieg in der Bundesliga zu lindern.

Allem Anschein nach war Bayer überbewertet. Vom schönen Spiel und vom schönen Schein ist nicht viel übrig geblieben. Inzwischen fragen sich Calmund und Toppmöller, die beiden angeschlagenen Frohnaturen des Fußballs, ob es in dieser Woche noch schlimmer kommt. Gegen Manchester United und ein paar Tage später gegen die Bayern, die schon elf Punkte mehr besitzen, könnte Leverkusen noch tiefer fallen.

Die Verletzten, mit zunehmend jammerndem Unterton aufgelistet, sind nur Teil der Misere; sie verschärfen die strukturellen Schwächen. Im Sturm fehlt ein adäquater Nachfolger für Ulf Kirsten. Im Mittelfeld haben Schneider, Bastürk und Simak mit sich selbst so viel zu tun, dass sie nicht auch noch Abwehrkräfte mobilisieren können wie Michael Ballack, der frühere Spiritus Rector der Mannschaft. Aber auch der Wechsel Ballacks und Ze Robertos zu den Bayern erklärt den Fehlstart nicht hinreichend. Zu Beginn der vergangenen Saison hatte Ballack einige Wochen verletzt gefehlt, ohne dass die Leverkusener Schaden nahmen. Nun mangelt es den Hinterbliebenen offenbar an Kraft und Klasse, die Lücke zu schließen. Wie froh wären die Leverkusener doch, wenn sie auf so hohem Niveau klagen könnten wie einst im Mai. Aber Platz zwei ist weit weg.

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