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Sport: Vermummt gegen das eigene Team

Fans von Dynamo Dresden greifen die Regionalliga-Spieler an und verängstigen sie mit Knallkörpern

Berlin - Vor dem Training haben die rund 50 teils vermummten Fans den Fußballern von Dynamo Dresden am Sonntag aufgelauert. 0:1 hat der Regionalliga-Siebte, der noch vom Aufstieg träumt, am Vortag gegen den VfL Osnabrück verloren. Schon danach haben die Anhänger die Spieler beschimpft, am Sonntag fühlen diese sich dann wirklich bedroht. Auf Aufnahmen des MDR ist zu sehen, wie die Profis sich immer wieder umdrehen – eingeschüchtert durch den Pulk, der näherkommt. Handgreiflichkeiten sind nicht zu erkennen. Dann ist ein Knall zu hören. „Ein Schuss fällt“, sagt der Kommentator, und die Geschichte von der Schreckschusspistole, mit der die Fußballer von eigenen Fans bedroht werden, macht bundesweit die Runde. Die Dresdner Polizei hat jedoch bisher keine Hinweise auf den Einsatz einer Schreckschusspistole, „keiner hat sie gesehen“, sagt ein Sprecher. Das Geräusch habe wie ein Feuerwerkskörper geklungen. Was es auch war, „im ersten Moment hat man Angst“, erzählte Profi Alexander Ludwig, „die hatten ja zum Teil Skimasken auf und haben mit Knallern um sich geworfen.“ Sein Kollege Mario Vorbeck fragte sich, „ob man noch auflaufen sollte. Es ist ja nicht Sinn der Sache, Angst um sein Leben zu haben.“

Die Polizei wurde nicht alarmiert, „allen voran Trainer Norbert Meier hat die Situation beruhigt“, sagt Dynamos Pressesprecher Peter Tauber. Meier und die Spieler verhinderten durch Gespräche mit den Fans eine Eskalation und nahmen anschließend das Training auf. Erst nach Auswertung der TV-Aufzeichnungen stellte der Verein am Montag Anzeige wegen Beleidigung gegen Unbekannt. Gegen alle ermittelten Personen soll ein Stadion- und Hausverbot verhängt werden.

Dabei war gerade wieder etwas Normalität eingekehrt im sächsischen Fußball. Am 10. Februar hatten 900 Fans bei einem Spiel des Sechstligisten Lok Leipzig 300 Polizisten angegriffen und 39 von ihnen verletzt. Eine Woche später wurden in Sachsen 60 Spiele abgesagt. Am vergangenen Samstag spielte Lok Leipzig erstmals wieder, im Stadion wurden auch kleine Kinder abgetastet, es gab nur alkoholfreies Bier. Alles blieb ruhig.

Dynamo Dresden hatte am Freitag zu einer Talkrunde zum Thema „Dresden – Wir gegen Gewalt“ geladen. Auch die Dresdner Fans waren in der Vergangenheit durch Krawalle aufgefallen. Hauptgeschäftsführer Volkmar Köster sagte am Montag, Pfiffe von Fans und harte Worte aus Frust seien „noch verständlich. Aber kein Grund auf der Welt rechtfertigt eine solche körperliche und verbale Bedrohung unserer Mannschaft.“ Köster selber steht freilich auch in der Kritik. Er hatte gesagt, die Fans hätten das Recht, ihren Unmut zu äußern. Vorbeck und Ludwig glauben, dass er dadurch eine Mitschuld an den Vorkommnissen trägt. „Um seinen Arsch zu retten, hat er uns für vogelfrei erklärt“, sagte Vorbeck. Dynamo will die Angelegenheit intern klären. CDU- Landtagspolitiker Alexander Krauß warf Köster gestern vor, sich nie deutlich von der Gewalt distanziert zu haben. „Wenn das Gewaltproblem von Dynamo an der Wurzel gepackt werden soll, dann muss Köster endlich gehen“, sagte Krauß.

Theo Zwanziger, der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, zeigte sich entsetzt von den Fan-Angriffen. „Es ist beängstigend. Das ist ein gefährliches Umfeld wie auch in anderen klassischen Fußball-Hochburgen im Osten. Da muss man nur mit dem Streichholz an die Lunte kommen, dann explodiert alles“, sagte Zwanziger. „Das ist eine weitere Stufe auf der nach oben offenen Richterskala.“ Die Polizei glaubt allerdings nicht, dass es sich um Hooligans gehandelt hat. „Hooligans würden die eigenen Spieler nicht angreifen. Und sie würden sich nicht mit Beleidigungen begnügen“, sagte der Polizeisprecher. Auch Torsten Rudolph vom Fanprojekt Dresden, das sich für Gewaltfreiheit im Fußball einsetzt, meint: „Das waren keine Hools, sondern ein Teil der aktiven Fanszene.“ Bei jedem Spiel „geht es für die Jungs um ihr Leben. Sie haben das falsche Mittel gewählt, aber der Anlass war nachvollziehbar. Ich glaube, sie sind sich ihrer Schuld bewusst.“ Doch diese Erkenntnis kommt für die Spieler von Dynamo Dresden zu spät.

Helen Ruwald

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