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Wir müssen leider draußen bleiben. Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) tagte gestern hinter verschlossenen Türen, rund 1000 angereiste Fans protestierten friedlich. Foto: dpa

© dpa

Sport: Versuch der Befreiung

Die deutschen Profivereine verabschieden mit deutlicher Mehrheit die umstrittenen Maßnahmen für mehr Sicherheit im Fußball.

Berlin - Reinhard Rauball gab sich alle Mühe, um nicht wie ein Getriebener zu wirken. „Wir haben das heute nicht für die Innenminister, die Politik und die Polizei gemacht“, sagte der Präsident der Deutschen Fußball-Liga (DFL) und fügte hinzu: „Das ist heute kein Beschluss gegen die Fans, sondern für die Zukunft des Fußballs.“ Damit hatte Rauball gleich alle Parteien genannt, die die DFL zuletzt gehörig unter Druck gesetzt hatten. Seit seiner Mitgliederversammlung am gestrigen Mittwoch hofft der Ligaverband nun, sich in der Diskussion um die Sicherheit in den Stadien wieder Luft verschafft zu haben. Die 36 Klubs der Ersten und Zweiten Liga stimmten in Frankfurt am Main für ein neues Sicherheitskonzept und nahmen alle 16 Anträge des DFL-Vorstands an.

„Wir haben sehr intensiv diskutiert“, fasste Rauball die vierstündige Sitzung zusammen. Die Anträge seien dann aber mit großer Mehrheit verabschiedet worden, „mehr als 90 Prozent der Vereine“ hätten die Änderungen abgesegnet. „Ich glaube, dass der professionelle Fußball als Gewinner aus der heutigen Veranstaltung hervorgegangen ist“, sagte Rauball. „Wir können den Fans versichern, dass die heutigen Beschlüsse die Fankultur in Deutschland nicht gefährden werden. Im Gegenteil.“ Auch DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, der in der Diskussion zuletzt nicht in Erscheinung getreten war, begrüßte die Entscheidung der Vereine. Michael Gabriel, Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte, erklärte: „Es wäre dringend notwendig, dass die Innenminister dem Fußball jetzt Zeit und Raum zum Handeln geben, um auf die Bedürfnisse und Angebote der Fans einzugehen.“

Die Innenministerkonferenz (IMK) hatte den deutschen Fußball zuletzt immer wieder vehement zum Handeln gegen Randalierer und Gewalttäter aufgefordert und damit gedroht, die Kosten für Polizeieinsätze auf die Vereine abzuwälzen. „Der Politik möchte ich zurufen: Die Drohungen der vergangenen Wochen müssen ein für alle Mal aufhören“, sagte Rauball. Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger wertete die Beschlüsse der DFL kurz nach der Versammlung als „Schritt in die richtige Richtung“, jetzt gehe es darum, die Maßnahmen auch umzusetzen. Auch Jägers niedersächsischer Amtskollege Uwe Schünemann sprach von einem „deutlichen Signal für mehr Sicherheit“.

Durch die gestrige Entscheidung beginnt keine neue Zeitrechnung im deutschen Fußball. Die verabschiedeten 16 Anträge stellen vielmehr auch bisher schon mögliche Maßnahmen auf eine gemeinsame, verbindliche Grundlage. Die von Fans vielfach kritisierten Ganzkörperkontrollen konnten auch schon vorher vom gastgebenden Verein angeordnet werden, jetzt ist diese Möglichkeit in den Sicherheits-Richtlinien verankert. Peter Peters, Vorsitzender der DFL-Sicherheitskommission, merkte zum entsprechenden Antrag an, auf Initiative der Vereine sei der Passus eingefügt worden, dass die Kontrollen „verhältnismäßig und sorgfältig“ durchgeführt werden müssen.

Im Vorfeld der Versammlung hatten Fans aller Klubs wochenlang gegen das Sicherheitspaket protestiert. Auch vor dem Hotel in Frankfurt-Niederrad, wo die DFL tagte, hatten sich gestern knapp 1000 Fans versammelt, um friedlich Präsenz zu zeigen. „Wir sind der Meinung, dass unsere Aktionen der vergangenen Wochen ein Erfolg waren“, sagte Ben Prasse, Sprecher der größten deutschen Fanvereinigung „Unsere Kurve“. Die DFL müsse jetzt, wie angekündigt, den Dialog fortsetzen, „um das verlorene Vertrauen wieder zurückzugewinnen“. Die Hoffnung der Fans, dass sich noch mehr Vereine für eine Vertagung einer Entscheidung einsetzen würden, erfüllte sich aber nicht. Ein entsprechender Antrag des FC St. Pauli wurde mit 31:5 Stimmen abgelehnt.

Neben dem Hamburger Zweitligisten stimmte auch der 1. FC Union gegen das Paket. „Es gibt keinerlei Veranlassung, sich einem wodurch auch immer motivierten politischen Druck zu beugen und zum jetzigen Zeitpunkt symbolisch eine Handlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen, die überhaupt nie infrage stand“, erklärte Union-Präsident Dirk Zingler: „Für ein solches Handeln steht der 1. FC Union Berlin nicht zur Verfügung.“ Hertha BSC hingegen stimmte allen Anträgen zu. „Bei unseren Heimspielen ändert sich künftig nicht viel“, sagte Thomas Herrich, Mitglied der Geschäftsleitung des Berliner Zweitligisten. „Im Gegenteil: Unser Ermessensspielraum ist sogar größer geworden.“

Welchen Einfluss die beschlossenen Maßnahmen auf den Alltag des deutschen Fußballs haben, wird sich tatsächlich erst bei ihrer Umsetzung in den kommenden Wochen und Monaten zeigen.

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