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Sport: Vertauschte Knie

3,7 Sekunden vor Schluss sank Derrick Sharp auf den Boden der Max-Schmeling-Halle. Der Basketballer von Maccabi Tel Aviv hielt sich in der Mitte der eigenen Spielhälfte das rechte Knie.

3,7 Sekunden vor Schluss sank Derrick Sharp auf den Boden der Max-Schmeling-Halle. Der Basketballer von Maccabi Tel Aviv hielt sich in der Mitte der eigenen Spielhälfte das rechte Knie. Sein Teamkollege Arriel McDonald eilte herbei und wies Sharp an, "bleib liegen". Das, so schwört Albas Stefano Garris, "habe ich genau gehört". Die Szene beschäftigte die Gemüter noch lange nach der 64:65-Niederlage des Deutschen Meisters in der Euroleague gegen das Spitzenteam aus Israel. Wurde McDonald doch nicht von Fürsorge um den Kollegen getrieben - sondern von bloßem Kalkül. Nachdem Garris und Sharp nach dem Ball gehechtet waren, hatte der Schiedsrichter auf Sprungball entschieden. Garris (1,98 Meter) hätte das Duell gegen den 1,83 Meter kleinen Gegner vermutlich gewonnen, den Ball in Richtung Korb geschlagen und Alba die Chance zum siegbringenden Wurf eröffnet. Doch Sharp durfte - angeblich verletzt - das Feld verlassen. Maccabi wechselte Hüseyin Besok zum Sprungball ein. Der misst 2,12 Meter, fast eine Lineallänge mehr als Sharp. Besok schlug den Ball weit weg, Garris brachte nur noch einen Verzweiflungswurf zustande.

Albas Center Dejan Koturovic will gar seltsame Dinge beobachtet haben: "Sharp hat geschummelt. Auf dem Feld hat er sich am rechten Knie behandeln lassen, nach der Auswechslung am linken." Tel Avivs Trainer David Blatt meinte bei der Pressekonferenz fast entschuldigend: "Das alles war nicht meine Idee." Als Garris im VIP-Raum von seiner Begegnung mit Mr. Sharp erzählte, tat er es nicht wütend, sondern grinsend. Viele gelöste Menschen wurden zu später Stunde gesichtet, Henrik Rödl stand lachend am Büffet. Nach schweren Wochen war die Freude über die starke Leistung gegen den Suproleague-Sieger größer als der Ärger über die Niederlage und das schauspielerische Talent des Gegners.

Zum einen hätte Alba auch gegen den kleinen Sharp den Ball erst einmal im Korb unterbringen müssen. Zum anderen "haben wir das Spiel schon vorher verloren", sagte Trainer Emir Mutapcic. "Wir hatten es selbst in der Hand, wir hatten vorher drei, vier Würfe und haben nicht getroffen", meinte auch Kapitän Rödl. Die Berliner vergaben in den letzten vier Minuten eine 60:55-Führung durch Fehlpässe und -würfe und das foulbedingte Ausscheiden von Marko Pesic und Dejan Koturovic. Alba traf zwar von der Freiwurflinie 15 von 18 Würfen, Tel Aviv nur 15 von 27 - doch bei den Feldwürfen waren die Gäste mit einer Erfolgsquote von 45 Prozent (Alba: 39 Prozent) im Vorteil.

Vertan ist die Chance, in der Gruppe A nach Punkten gleichzuziehen mit Efes Pilsen Istanbul und Unicaja Malaga, die ihre Heimspiele gegen Piräus und Treviso wie Alba mit einem Punkt Unterschied verloren. Alba bleibt mit zwei Punkten Rückstand Sechster. In die Zwischenrunde ziehen die besten vier Teams ein. "Wir müssen alle Heimspiele gewinnen und auswärts ein oder zwei Partien", fordert Jörg Lütcke. Was kommende Woche in Athen sehr schwer werden dürfte. In Berlin gewann Olympiakos Piräus 88:69.

In der Tabelle sind keine Fortschritte des Deutschen Meisters zu erkennen - auf dem Spielfeld hingegen riesengroße. Mutapcic sprach von "unserem vielleicht besten Saisonspiel in der Defensive", für seinen Kollegen Blatt hat Alba schlicht "besser gespielt als wir". Center Dejan Koturovic (acht Punkte, elf Rebounds) nähert sich seiner Form aus dem Vorjahr. Mehr Rebounds als ihm gelangen keinem anderen Spieler.

Die Niederlage mussten Spieler und Trainer sofort abhaken. Schon heute empfängt der Bundesligafünfte den Vierten, die Baskets aus Bonn (15 Uhr, Max-Schmeling-Halle, live bei TV Berlin). Um es mit Mutapcics Worten zu sagen: "Wir haben keine Zeit zum Weinen."

Helen Ruwald

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