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Sport: Verzückt und entrückt

Auch in Malaysia fährt Weltmeister Michael Schumacher fehlerfrei, profitiert von der Hilfe seines Teamkollegen und verschafft Ferrari den nächsten Sieg

Sepang. Niki Lauda hatte eine Hand in der Hosentasche. Das hatte etwas Beruhigendes. Es identifizierte ihn. Es war also wirklich Lauda, der da sprach. Lauda, der Abgeklärte, der Nüchterne. Und nicht irgendein Lauda-Double, das plötzlich in Verzückung gerät. Es ist wichtig, so etwas zu wissen. Wenn ein Doppelgänger nach dem Rennen dagestanden hätte, wäre das Kompliment entwertet worden. Aber wenn Lauda selber, der dreimalige Formel-1-Weltmeister, der sonst so spröde wie Salzstangen sein kann, so redet, dann ist das wie ein Ritterschlag. „41 Rennen hat jetzt Ferrari ohne technischen Defekt durchgestanden. Das ist unglaublich. Ich glaube, das ist Weltrekord“, sagte Lauda nach dem Großen Preis von Malaysia. Lauda hob die Stimme dabei, um seine Mundwinkel zuckte es, man durfte das mit einigem Optimismus als bewunderndes Lächeln interpretieren. Der emotionale Minimalist Lauda hatte sich gerade verbal tief vor Ferrari verneigt und natürlich vor Michael Schumacher, dem sechsmaligen Weltmeister.

Und wenn schon Lauda so redet, dann konnte sich jeder vorstellen, was in Malaysia los war, in Sepang, genau gesagt, wo Michael Schumacher wieder gewonnen hatte. Sein zweiter Sieg in dieser Saison. Die Ferrari-Anhänger tanzten auf den Tribünen, sie feierten den Superstar, sie wedelten wild mit ihren Fahnen, und auf dem Siegerpodest dirigierte Schumacher schwungvoll die italienische Hymne. Schumacher kann sich immer noch ausgelassen freuen über einen Sieg, obwohl er gestern zum 72. Mal Erster geworden ist. Darin liegt auch sein Erfolgsgeheimnis. Er fühlt sich nicht satt, er spult nicht sein Programm runter wie ein Schlagersänger, der seinen größten Hit zum tausendsten Mal runternudelt, Schumacher lebt die Formel 1, auch nach dem sechsten WM-Titel. Er redet noch genauso intensiv mit seinen Ingenieuren und Mechanikern wie am ersten Tag bei Ferrari. Er geht jede Kleinigkeit durch, trainiert seine Fitness wie ein junger Zehnkämpfer, immer auf der Suche nach dem Optimum. Und immer im Wissen, dass er es nie erreichen wird. Aber er kann ihm näher kommen, jeden Tag, in jeder Runde, bei jedem Testkilometer. Das treibt ihn an. Diese Gewissheit, immer noch etwas Neues, Besseres herauszufinden. Und dass ihn viele in diesem Antrieb nicht verstehen, das verärgert ihn, wenn er einen schlechten Tag hat, und lässt ihn milde lächeln, wenn er einen guten hat. Wie soll ein Perfektionist seine Welt erklären?

Und Schumacher findet immer einen Grund, weshalb der jeweilige Sieg besonders wichtig war. Am Sonntag zum Beispiel erklärte er: „Ich hatte wirklich ein paar Bedenken vor dem Start. Wir hatten ja zuletzt Probleme hier.“ 2003 hatte Schumacher nur Platz sechs belegt.

Diesmal gewann er mit klarem Vorsprung, allerdings nicht so klar wie beim ersten Rennen in Melbourne. Juan Pablo Montoya im BMW-Williams und Jenson Button im BAR-Honda landeten hinter dem Weltmeister, aber ihr Rückstand war nicht demütigend. Das lag an den Reifen. Die Michelin der Ferrari-Konkurrenz laufen bei heißen Temperaturen besser als die Bridgestone, mit denen Schumacher unterwegs ist. Montoya blieb denn auch lange knapp hinter Schumacher. Und der Weltmeister war sich genauso lange nicht sicher, dass er gewinnen würde. „Alles hing von den Reifen ab.“ Und damit indirekt auch vom Glück. Denn die weichen Bridgestone laufen schlechter, je heißer es wird. Kurz vor dem Rennen herrschten noch 54 Grad in Sepang. Dann zogen Wolken auf, die Temperaturen fielen um zwölf Grad.

Den Rest besorgte Schumachers Teamkollege Rubens Barrichello. Der Brasilianer fuhr unmittelbar vor Montaya aus der Boxengasse und blockierte den Kolumbianer geschickt. „Da war an ein Heranfahren an Schumacher nicht zu denken“, sagte Montoya. „Ich habe dann zurückgesteckt, weil ich die Punkte sicher nach Hause fahren wollte.“ BMW-Motorsportdirektor Mario Theissen sagte zu Barrichellos Kollegenhilfe: „Daran kann man erkennen, dass Ferrari sich nicht hundertprozentig sicher gefühlt hat.“

Aber Ferraris Konkurrenz muss sich schon anstrengen. Kimi Räikkönen im McLaren-Mercedes zum Beispiel schied vorzeitig aus. Auch Nick Heidfeld (Jordan) kam nur bis Runde 35. Getriebeschaden. „Aber eigentlich war das Rennen für mich schon nach dem ersten Boxenstopp zu Ende. Da hat die Tankanlage gesponnen, es ging kein Sprit rein – und ich musste noch mal an die Box fahren.“

Michael Schumacher hatte da längst anderes im Kopf. Er drängte nach Hause. Sein Sohn Mick wird heute fünf Jahre alt. Und der Papa sagte: „Gibt es denn etwas Schöneres als ein Kind, das Geburtstag feiert.“ Prioritäten eines Formel-1-Perfektionisten.

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