zum Hauptinhalt
Der HSV zusammengefasst in einem Bild: HSV-Spieler Tim Leibold am Sonntag.

© dpa

VfB Stuttgart kurz vor Aufstieg in die Bundesliga: Geld schießt Tore - nur nicht beim Hamburger SV

Während der VfB Stuttgart so gut wie aufgestiegen ist, versagen dem HSV die Nerven. Über zwei Traditionsklubs mit ähnlichen Problemen.

Es gab was zu feiern beim VfB Stuttgart. Das sah auch Busfahrer Jürgen Dispan so. Er drückte bei der Abfahrt aus Nürnberg ein, zwei, drei Mal auf die Hupe, ein paar Fans kreischten. Anschließend bog das Gefährt mit der Aufschrift „furchtlos und treu“ um die Kurve und krachte prompt gegen den Ast eines Baumes. Beim traditionsreichen Verein für Bewegungsspiele, das hat auch diese Spielzeit mal wieder gezeigt, ist die nächste Panne immer direkt um die Ecke.

Das soll aber nicht davon ablenken, dass die Schwaben ihr großes Saisonziel, den Aufstieg in die Erste Liga, nach dem 6:0 am Sonntag in Nürnberg so gut wie erreicht haben. Sie sind Tabellenzweiter und am letzten Spieltag müsste Verfolger Heidenheim drei Punkte und elf Tore auf den VfB gutmachen. Das trauen nicht mal die größten schwäbischen Bruddler dem in den vergangenen Jahren so schwer kriselnden Klub zu. „Wir gehen es trotzdem so an, als wenn wir in der nächsten Woche noch einen Punkt bräuchten“, sagte Stuttgarts Sportdirektor Sven Mislintat im Südwestrundfunk schon einmal sicherheitshalber. Man weiß ja nie.

[Behalten Sie den Überblick: Jeden Morgen ab 6 Uhr berichten Chefredakteur Lorenz Maroldt und sein Team im Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint über die aktuellsten Entwicklungen rund um das Coronavirus. Jetzt kostenlos anmelden: checkpoint.tagesspiegel.de.]

Sollte der VfB sich nicht viel blöder anstellen, als es in der jüngeren Vergangenheit hin und wieder der Fall war, dürfte er sich bei einem Verein bedanken, der die Rangliste im Sich-blöd-anstellen gewiss anführt: dem Hamburger SV. Das Bundesliga-Gründungsmitglied liegt mit einem Etat von rund 30 Millionen Euro weit vor den meisten Ligakonkurrenten wie zum Beispiel dem souveränen Tabellenersten Arminia Bielefeld (knapp über 10 Millionen Euro).

Dass Geld Tore schießt, trifft auf sämtliche Klubs dieser Welt zu. Nur offenbar nicht auf den HSV. Auch der vergangene Sonntag war wieder so ein spezieller HSV-Tag. Die Mannschaft war bei Verfolger Heidenheim überlegen und führte verdient mit 1:0, ehe HSV-Verteidiger Louis Jordan Beyer die Kugel zehn Minuten vor Schluss ins eigene Tor bugsierte. Und der HSV wäre nicht der HSV, hätte er in der Nachspielzeit nicht auch noch das 1:2 kassiert. Damit befindet sich der FC Heidenheim auf dem Relegationsplatz und der HSV muss am letzten Spieltag auf einen Ausrutscher der Heidenheimer hoffen.

Bemerkenswertes Schneckenrennen der Traditionsklubs

Mit Ausnahme der Bielefelder war es bis dato ein bemerkenswertes Schneckenrennen, das sich die beiden Traditionsklubs VfB und HSV um den Aufstieg lieferten. Dass sich am Ende nun womöglich das kleine Heidenheim noch den Relegationsplatz schnappt, wäre die in den Augen vieler Beobachter verdiente Strafe.

Den VfB und den HSV verbindet eine Menge. Beide können auf große finanzielle Reserven zurückgreifen. Der VfB wird stark unterstützt vom Daimler-Konzern, der HSV bis vor Kurzem von Logistiker Klaus-Michael Kühne. Das Problem dabei: Das Geld floss auch dann, wenn die Klubs nichts auf die Kette brachten.

Mit den beiden Vereinen verhielt es sich ein bisschen wie mit einem Schulkind, das schlechte Noten nach Hause bringt und trotzdem eine Belohnung von den Eltern bekommt: Sie machten einfach genauso erfolglos weiter. Hinzu kam, dass die Geldgeber Einfluss auf die sportlichen Entscheidungsprozesse nahmen beziehungsweise nehmen. Insbesondere beim HSV waren die Einmischungen des Mäzens Kühne mehr gefürchtet als sehnsüchtig erwartet.

Anhand dieser Gemeinsamkeiten verbat sich VfB-Sportdirektor Mislintat am Sonntag den kleinsten Anflug von Schadenfreude über das Scheitern des HSV. „Größten Respekt vor dem HSV“, sagte er. „Dort wird jetzt bestimmt wieder über Mentalität gesprochen, als wenn die Jungs keine Spiele gewinnen wollten. Das ist aber falsch.“

VfB-Sportdirektor Sven Mislintat konnte bisher noch keine Transfercoups landen in Stuttgart.
VfB-Sportdirektor Sven Mislintat konnte bisher noch keine Transfercoups landen in Stuttgart.

© dpa

Mislintat gilt als der eigentliche Star des VfB Stuttgart. Der 47-Jährige hat schon für den BVB und den FC Arsenal in London gearbeitet. Für die Dortmunder entdeckte er Spieler wie Pierre-Emerick Aubameyang oder Ousmane Dembélé, die sich zu Superstars mauserten und sehr viel Geld in die Kassen spülten. Mislintat trägt wegen seines Blicks für die Ballzauberer sogar den Namen Diamantenauge. Doch beim VfB Stuttgart fragen sie sich so langsam, wo der Mann dieses Auge versteckt hat.

Mislintat holte unzählige junge Spieler, teilweise für recht viel Geld, von denen bisher noch keiner konstant überzeugen konnten. Spieler etwa wie Silas Wamangituka, 20 Jahre jung, dynamisch, aber auch bemerkenswert unausgereift in seiner Spielanlage. Ähnliches trifft auf die Teenager Mateo Klimowicz, Clinton Mola, Tanguy Coulibaly oder Darko Churlinov zu. Sie alle haben das Potenzial, in drei, vier Jahren mal größere Nummern im Profifußball zu werden. Doch das Problem von Mislintat und dem VfB ist: Im Moment nutzt das dem Klub wenig, weil sie noch nicht so weit sind.

So konnte VfB-Trainer Pellegrino Matarazzo am Ende froh sein, dass Mislintat ihm auch noch ein paar gestandene Profis übriggelassen hat. Zu nennen ist der 26 Jahre alte Japaner Wataro Endo, der fleißig und diszipliniert und ohne jeden Anflug von jugendlichem Freisinn seine Arbeit im Mittelfeld der Schwaben verrichtete. Oder aber Nicolás Gonzalez, der wohl beste Spieler in dieser Saison beim VfB. Gonzalez dürfte auf dem Zettel vieler Bundesliga-Klubs stehen. Sollte er wechseln, müsste Mislintat wirklich mal das Diamantenauge auspacken.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false