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Mann im Mittelpunkt. Kevin de Bruyne mag beim FC Chelsea zuletzt nur Reservist gewesen sein, in Wolfsburg aber kann er glänzen.

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VfL Wolfsburg: Das Millionenpuzzle

Mit dem Neuzugang von Kevin de Bruyne beweist der VfL Wolfsburg, dass er an einer Mannschaft mit großer Perspektive bastelt. Wie gerecht die hohe Finanzkraft und damit das enorme Potenzial des Vereins sind, darüber lässt sich weiterhin herrlich streiten.

Von Christian Otto

Die letzte Feinarbeit des Trainers wirkt wie ein Schachspiel auf allerhöchstem Niveau. Wenn also Neuzugang Kevin de Bruyne hinter den Spitzen wirbelt und Dribbelkünstler Diego auf die linke Mittelfeldseite ausweicht, dann darf Nachwuchs-Ass Maximilian Arnold mit Luiz Gustavo mehr in der Defensive glänzen. „Wir haben für eine richtig gut funktionierende Mannschaft noch ein neues Puzzleteil“, sagt Dieter Hecking voller Zufriedenheit. Als Cheftrainer des VfL Wolfsburg wird er in diesen Tagen mehr bestaunt und beneidet als belächelt und angefeindet. Mit der Verpflichtung des belgischen Nationalspielers de Bruyne, der schon zu seiner Zeit als Leihspieler von Werder Bremen aufhorchen ließ, haben die aufbegehrenden Wolfsburger das kräftigste aller Ausrufezeichen während der fünfwöchigen Winterpause gesetzt.

Zum Start der Rückrunde in der Fußball-Bundesliga muss die Konkurrenz anerkennen, dass unter den traumhaften Bedingungen des vom Volkswagen-Konzern bezahlten Vereins etwas gedeiht. Es geht um ein Spitzenteam mit Perspektive, in dem ein Star wie Diego nur noch eine Nebenrolle spielt. „Kevin de Bruyne macht uns besser. Er macht jede Mannschaft besser“, findet Diego. De Bruyne mag beim FC Chelsea zuletzt nur Reservist gewesen sein. Seine schwungvolle Art und sein taktisches Verständnis gelten aber als prädestiniert für jenen modernen Fußball, mit dem der VfL Wolfsburg seine Fans und die Kunden seines zahlungskräftigen Sponsors begeistern möchte.

Einkaufstouren und Kaufrausch

Es gab schon so viele Einkaufstouren, für die sie belächelt worden sind. Als Felix Magath in seiner zweiten Amtszeit bei den Niedersachsen oder zwischenzeitlich Dieter Hoeneß den Erfolg erzwingen wollten, hatten sie wie Manager im Kaufrausch agiert. Seitdem Klaus Allofs die Positionen des Geschäftsführers und Managers bekleidet, wird der Transferpolitik des Vereins mit deutlich mehr Respekt begegnet. Im Sommer 2013 hat der VfL dem FC Bayern München den Brasilianer Gustavo abgekauft. Im Winter 2014 folgte vom FC Chelsea der Belgier des Bruyne. Die dafür gezahlten Ablösesummen dürften insgesamt bei rund 40 Millionen Euro liegen – ein Betrag, für den sich andere Erstligisten einen ganzen Kader leisten. Wo aber bleibt der Aufschrei?

Wohin ist die Wut über die brachiale Finanzkraft des VfL Volkswagen? Den Transfer von de Bruyne, den fast die gesamt Elite der Liga umworben hat und der ein großer Coup ist, nennt Allofs den nächsten kleinen Schritt. Er baut den Verein behutsam in einen Spitzenklub um. Dass Gustavo und de Bruyne nicht irgendwo in Europa, sondern im deutschen Fußball glänzen, ist gut für die Bundesliga als Ganzes. Zu dieser Erkenntnis müssten eigentlich auch die größten Hasser sogenannter Werksvereine gelangen.

Kein Zeitdruck

Wohin soll das eigentlich führen? Wenn der VfL Wolfsburg jetzt auch noch punktuell und klug einkauft, auf den eigenen Nachwuchs baut und sich von einem Egomanen wie Diego emanzipiert, weil er auf dessen Geniestreiche nicht mehr angewiesen ist? „Ich sehe uns nicht unter Zeitdruck. Es ist sinnvoll, die Entscheidung abzuwarten“, sagt Allofs, wenn es darum geht, ob Diego noch einen Anschlussvertrag erhält. Sie wissen ihre Macht zu nutzen und basteln sich in aller Ruhe ein Team mit Perspektive. De Bruyne steht bis 2019 unter Vertrag. Aus dem eigenen Nachwuchs konnte Arnold genau wie Innenverteidiger Robin Knoche bis 2017 gebunden und bereits in die Stammelf integriert werden. „Der VfL Wolfsburg ist ein sehr gutes Projekt. Es läuft hier schon sehr viel besser als früher. Man sieht die Veränderung“, findet Neuzugang de Bruyne. Abgesehen von seinem stattlichen Salär wird es der 22-Jährige auf die Chance abgesehen haben, sich in einer der weltbesten Ligen zu etablieren und mit dem VfL bis in die Champions League vorzustoßen.

Scheichs, Investoren und Konzerne

Wie gerecht die hohe Finanzkraft und damit das enorme Potenzial des VfL Wolfsburg sind, darüber lässt sich weiterhin herrlich streiten. Im Zuge des Financial Fairplay will die Europäische Fußball-Union ab 2015 noch genauer hinsehen, welche Vereine von Scheichs, Investoren oder Konzernen so dominiert werden, dass das Verhältnis ihrer Personalausgaben zu den Einnahmen aus den Fugen gerät. Dank des Verkaufs von Torjäger Edin Dzeko an Manchester City für rund 30 Millionen Euro hat der VfL Wolfsburg vor drei Jahren tatsächlich auch einmal eine ungewöhnlich hohe Summe eingenommen. Das ändert nichts daran, dass die aktuelle Mannschaft der Niedersachsen als 100-Millionen-Euro-Offensive tituliert wird. „Qualität kostet eben Geld“, sagt VfL-Trainer Hecking kurz und trocken.

Auf dem Weg zurück in das internationale Geschäft bleibt in Wolfsburg möglichst wenig dem Zufall überlassen. „Wolfsburg hat die gigantische VW-Macht im Rücken. Und seit Allofs und Hecking das Sagen haben, wird auch sportlich ordentliche Arbeit abgeliefert“, sagt Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer von Vizemeister Borussia Dortmund. Der Respekt löst den Neid Stück für Stück ab. Im Vergleich zu all den ach so wichtigen Ligaspielen dürfte das der größte Gewinn sein, den Allofs dem Verein innerhalb seines einjährigen Wirkens bescheren konnte.

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