zum Hauptinhalt
Bürde auf der Brust. VW steckt viel Geld in den VfL und will dafür Resultate wie das 4:1 gegen Köln sehen. Hier bejubelt Ashkan Dejagah sein Tor. Foto: dpa

© dpa

Vfl Wolfsburg in der Krise: Der Global Player und seine hässliche Tochter

Volkswagen will mit dem VfL Wolfsburg für sich werben. Momentan bereiten seine Fußballer dem Konzern aber eher Kummer und Spott

Von Christian Otto

Schöne Tore und das Gejubel danach sind immer noch der beste Weg. Um zu vergessen, wie dicht die Mannschaft des VfL Wolfsburg am Abgrund steht. Und um die eigenen Fans wieder zu besänftigen „Wenn wir so weiterspielen", versicherte Stürmer Mario Mandzukic, beim 4:1-Heimsieg gegen den 1. FC Köln am Sonntag zweifacher Torschütze, „brauchen wir uns keine Sorgen zu machen.“ Der Kroate, einer der vielen teuren Spieler im in dieser Saison enttäuschenden Ensemble des VfL Wolfsburg, versucht es mit beruhigenden Worten. Denn die Stimmung im Klub bleibt angesichts des drohenden Abstiegs angespannt.

Das Dumme ist, dass Häme und Spott dem großen Chef manchmal auch noch persönlich über den Weg laufen. Martin Winterkorn, der mächtige Vorstandsvorsitzende des Volkswagen-Konzerns, war bei seiner jüngsten Begegnung mit dem bezahlten Fußball von alkoholisierten Anhängern des FC St. Pauli belästigt worden. „Absteiger, Absteiger“ hatten die Fans ihm zugebrüllt. Ähnliche Töne hatten die Anhänger des am Ostersonntag geschlagenen 1. FC Köln auch angeschlagen. In Momenten wie diesen wird offensichtlich, dass es doch tatsächlich eine Tochtergesellschaft im global erfolgreichen VW-Imperium gibt, die ihre Ziele verfehlt. Von Schönwetter-Spielerei spricht Winterkorn, wenn er kommentieren soll, was der VfL Wolfsburg bisher in dieser Saison zu bieten hatte. Biederer Abstiegskampf, das passt einfach nicht zu den hohen Zielen eines Unternehmens von Welt.

VW-Chef Winterkorn wird wegen der schwachen Auftritte des VfL verspottet

Es kommt selten vor, dass sich ein Top-Manager wie Winterkorn dazu herablässt, über die profanen Sorgen einer Fußballmannschaft zu urteilen. Im Mai 2009 waren dem VW-Boss seine branchenfremden Kommentare noch leicht gefallen. „Die Wölfe sind das Aushängeschild für Wolfsburg und für Volkswagen“, hieß es damals, als es die erste deutsche Meisterschaft für den VfL zu bejubeln galt. Aber das Werbevehikel von Volkswagen, das VfL Wolfsburg Fußball GmbH heißt und als hundertprozentige Tochter des Konzerns wichtiges Standortmarketing leisten soll, ist ins Schlingern gekommen. Das „große Projekt“ des VfL, wie Spielmacher Diego die ehrgeizigen Vorgaben seines zahlungskräftigen Arbeitgebers so gerne nennt, ist in großer Gefahr. Ein Konzern, der sich ökonomisch und ökologisch als weltweit führendes Automobilunternehmen ausrichten will, passt mit seiner Philosophie eben nicht an den Rand der Zweitklassigkeit.

Drüben, auf ihrer Seite der Wolfsburger Schnellstraße am Mittellandkanal, sind es die Manager gewohnt, Erfolg penibel planen zu können. Man erobert von dort aus neue Wachstumsmärkte wie China. Man freut sich über eine neue Rekordmarke mit rund zwei Millionen Autoauslieferungen im ersten Quartal 2011 und einen weltweiten Marktanteil von mehr als elf Prozent. Aber was werden die Menschen in China sagen, wenn sie erfahren, dass ausgerechnet dieses teure, von Volkswagen bezahlte Fußballteam nicht funktioniert? „Wenn die Mannschaft keine Konsequenzen zieht, dann werden wir Konsequenzen ziehen“, versichert Javier Garcia Sanz, der Chef des VfL-Aufsichtsrates. Sanz und klingt dabei wie ein verzweifelter Mann, der das Glück zu biegen versucht. Denn drüben im Stadion, auf der anderen Seite der Schnellstraße, wollen sich die Erfolge in der Branche Profifußball trotz horrend hoher Zielvorgaben und Spielergehälter dummerweise nicht erreichen lassen. Um jene Angestellte unter Druck zu setzen, die bei 31 Versuchen in dieser Saison bisher gerade einmal sieben Bundesligaspiele gewinnen konnten, sind die Daumenschauben angezogen worden. Felix Magath, den sie als erfolgsverwöhnten Trainer an die Werkbank des VfL gestellt haben, geizt nicht mit Kritik. Magath weiß, dass es nur schwer zu vermitteln ist, wie viel Misserfolg man mit einem Saisonetat von deutlich mehr als 60 Millionen Euro einspielen kann.

Top-Manager Garcia Sanz hatte seinen Unmut über die dürftigen Leistungen der Profis zuletzt kurz vor dem Abflug zu einer Dienstreise nach China öffentlich abgeladen. Mehr als zehn Milliarden Euro will der VW-Konzern in den kommenden vier Jahren in das Reich der Mitte investieren, weil man im Pkw-Geschäft weiter auf Angriff setzt. Bei Geschäftsessen dann darüber berichten zu müssen, dass bei der fußballspielenden Tochtergesellschaft lauter Egoisten am Werk sind, kann keinen Spaß machen. Das immer wiederkehrende Bild von den hängenden Köpfen der Angestellten in kurzen Hosen, es will nicht zur Gesamtperformance eines, wie es die Manager gerne formulieren, Global Players passen. Die Köpfe gehören nach oben. Die Stimmung soll gut sein. So wie nach dem Heimsieg gegen Köln, dem ersten seit der Rückkehr von Magath.

Wer mit dem Zug in Wolfsburg anreist, um sich ein Spiel des VfL anzusehen, bringt zwangsläufig einen werbewirksamen Parcours hinter sich. Eine Brücke, elegant über den Mittellandkanal gebaut, verbindet den Hauptbahnhof mit dem gigantischen VW-Werksgelände sowie der davor thronenden Autostadt. Dort scheint jeder Grashalm dem Willen der Firma zu gehorchen. Ein Laufband auf der Brücke erleichtert den Gästen das Vorankommen zur schicken Volkswagen-Arena, in der Besucher, Kunden und Mitarbeiter mit erstklassigem Sport bespaßt werden sollen.

Viele Vfl-Fans arbeiten in Schichten im VW-Werk. Ihr Unmut über die verzogenen Profis ist groß

Die Mehrheit jener Fans, die ihre „Wölfe“ lautstark unterstützen, arbeitet in Schichten und an Bändern. Entsprechend groß ist der Frust, wenn die VW-Kollegen Grafite und Diego ihrerseits keine Leistung bringen. VfL-Trainer Magath hatte seine Spieler zuletzt zu einem Krisengipfel mit unzufriedenen Fans („Wir sind Wolfsburger und Ihr nicht“) bestellt. „Wir haben die Schnauze voll von Durchhalteparolen. Leidenschaft ist von Euch viel zu selten zu erkennen“, stand in einem Brief eines Fanklubs, der den Profis unter lautem Gejohle vorgelesen wurde. „Unsere Spieler sollen ruhig hören, wie ein Fan diese Tage erlebt“, sagte Felix Magath und wurde dafür mit Applaus bedacht.

Der öffentliche Rüffel für die Spieler ist zwischen Magath und den Chefs im Konzern genau abgestimmt. Man ist sich einig, wie das Planziel Klassenerhalt noch erreicht werden kann. Mit Druck, Kritik und der Androhung, einige der Fußball-Arbeiter zu entlassen. Magath hat erklärt, dass er den Klub wenn nötig auch in der Zweiten Liga anführt. Als Trainer, der seine Mannschaft in der deutschen Spitze etablieren und in den europäischen Fußball führen soll, wäre der Mann dort ein ziemlich einmaliges Sondermodell.

Zur Startseite