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Naldo wieder da, alles wieder gut. Der Brasilianer gab gegen Real sein Comeback und spielte gleich überragend.

© dpa

VfL Wolfsburg nach 2:0 gegen Real Madrid: Wiedergeburt als Malocher

Als Außenseiter demütigt der VfL Wolfsburg die Weltstars von Real Madrid - in der Liga scheitert das Team von Dieter Hecking oft selbst am Hochmut.

Von Christian Otto

So richtig veredelt hatten sie ihren Triumph erst kurz nach Spielende – im gut gefüllten Kabinengang. Dem 2:0-Erfolg über Real Madrid war der wahre Gipfel der Aufmüpfigkeit gefolgt. „Ich habe Marcelo gesagt, dass er die Schauspielerei sein lassen soll“, berichtete Dieter Hecking und klang wie seine Spieler trotzig bis wütend. Der Trainer des VfL Wolfsburg, in der Champions League ein Neuling, knöpft sich also mal eben den Linksverteidiger des Branchenriesen vor. Zum Hohn, der sich nach der Hinspiel-Niederlage im Viertelfinale über Real ergießt, gesellen sich nun auch noch Belehrungen und Maßregelungen. Es sieht so aus, als ob die Wolfsburger ihre Reise in Richtung Halbfinale nicht in Demut fortsetzen, sondern voll und ganz auskosten möchten.

Die Sieg bringenden Tore erzielten Ricardo Rodriguez, der einen an André Schürrle verursachten Foulelfmeter verwandelt hatte, und Maximilian Arnold. Am sichtbarsten aber war die Demütigung des mit Weltstars gespickten Teams etwa 20 Minuten vor dem Abpfiff. Die unzufriedenen Real-Profis hatten mit ihrem Gastgeber wilde Schubsereien angefangen. Marcelo ging nach einem Zwist mit Arnold zu Boden, obwohl der ihn gar nicht berührt hatte. Das Provozieren und Schauspielern entlarvte die Ratlosigkeit eines spanischen Teams, das offenbar geglaubt hatte, man könne irgendwo in der niedersächsischen Pampa mal eben so gewinnen. „Wir waren physisch schwach und hatten unsere Schwierigkeiten“, gestand Real-Trainer Zinédine Zidane. Für einen Mann von Welt, der mit einem Verein von Welt im Viertelfinale zu scheitern droht, blieb der Franzose erstaunlich gelassen. Er verwies in aller Ruhe auf das Rückspiel am kommenden Dienstag in Madrid. Ihm wird nicht entgangen sein, wie stolz und hoffentlich nicht zu voreilig die Wolfsburger schon von ihrem zweiten Teil der Aufgabe geschwärmt haben.

"Heute waren wir endlich eine Gemeinschaft auf dem Platz", sagte Naldo

Bis zum großen Showdown im Bernabéu-Stadion bleibt die Frage im Raum, wie die Wankelmütigkeit des VfL Wolfsburg zu erklären ist. „Heute waren wir endlich eine Gemeinschaft auf dem Platz“, befand Abwehrchef Naldo, der nur fünf Wochen nach einer Schulteroperation ein starkes Comeback gefeiert hatte. Als schuftendes Kollektiv hatten die Wolfsburger eine anfängliche Dominanz ihres prominenten Gastes schadenfrei überstanden, um dann mutig zu kontern und selbst unter großem Druck bis zum umjubelten Ende den Überblick zu bewahren. Was auch immer auf der Gegenseite formschwache Größen wie Cristiano Ronaldo (kaum zu sehen), Karim Benzema (verletzt ausgewechselt) und Toni Kroos (ziemlich harmlos) versuchten: Es fehlte am nötigen Elan, um den Wolfsburgern die erwartete Lehrstunde zu erteilen. Mit ein wenig Glück hätte André Schürrle sogar noch einen Konter zum 3:0 abschließen können.

In der Bundesliga wird der VfL Wolfsburg gerne als Krösus und Kunstprodukt belächelt, was seinen Alltag nicht gerade unbeschwerter gestaltet. In der Champions League aber gelingt es dem Vizemeister, als schubsender Außenseiter zu kämpfen und zu überzeugen. „Wenn wir im Rückspiel ähnlich mutig sind, können wir den Einzug ins Halbfinale schaffen“, glaubt Geschäftsführer Klaus Allofs. Er war selbst ein wenig verblüfft, mit wie wenig Angst und wie viel Elan das VfL-Team um den starken Julian Draxler und den frechen Arnold aufgemuckt hatte. 26.400 Zuschauer im ausverkauften Wolfsburger Stadion hatten Pate für ein Duell gestanden, in dem es aus Sicht des VfL eine ziemlich große Portion Sympathie zu gewinnen gab. Am Samstag steht in der Bundesliga das nächste Heimspiel gegen Mainz 05 mit der üblichen Stolpergefahr nach einem großen Moment an. Normales vor der Brust und Großes im Kopf: Genau daran scheitern die Wolfsburger im Ligaalltag, wo sie lediglich Tabellenachter sind, viel zu oft. Sie treten dann auf wie ein Real Madrid, das sich seiner Sache zu sicher ist und nicht genug rennt, um richtig gut zu sein.

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