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Videobeweis: Vom Geist des Abseits

Was zählt, ist der Geist der Regel: Autor Sven Goldmann findet gute Gründe gegen den Videobeweis.

Der Fußball-Schiedsrichter Markus Merk ist einer der besten der Welt. Am Wochenende hat er eine Abseitssituation nicht richtig gedeutet und ein Tor zu Unrecht anerkannt. Es ehrt Merk, dass er seinen Irrtum zugab, obwohl es sich nur um ein paar Zentimeter handelte. Man könnte aber auch böswillig unterstellen, er habe auf so einen Fehler nur gewartet. Denn jetzt zaubert Merk ein Konzept für die Einführung des Videoschiedsrichters hervor.

Bis zu diesem Vorstoß standen die deutschen Schiedsrichter eisern gegen die Hinzuziehung elektronischer Hilfsmittel. Und das, obwohl sie die eigentlich Leidtragenden der Woche für Woche anhebenden Diskussion sind. Ein Videobeweis würde die Verantwortung ins Anonyme delegieren und den Schiedsrichtern das Leben leichter machen. Aber würde er das Spiel gerechter machen?

Vor vier Wochen hat Energie Cottbus gegen Bayer Leverkusen ein Tor erzielt, das der Schiedsrichter wegen einer Abseitsstellung nicht anerkannt hat. Das Fernsehstandbild des ZDF unterstützte seine Entscheidung, das der ARD wiederlegte sie. Offensichtlich ist das Medium Fernsehen eben nicht so objektiv, wie es seine Lobbyisten gern darstellen.

Das Bemerkenswerte an der Kultur der Superzeitlupen-Besserwisser ist doch, dass sie nicht etwa besonders viele Irrtümer aufdecken, sondern verschwindend wenige. Dabei geben sie sich wirklich die größte Mühe, wenn sie etwa mit elektronischer Hilfe den Nachweis führen, welcher Fuß welches Spielers ein paar Zentimeter weiter vorn stand.

Fußball ist ein einfaches Spiel mit Regeln aus dem 19. Jahrhundert. Um dieses Spiel herum hat sich eine gigantische Industrie entwickelt. Aber auf dem Rasen, innerhalb der Kreidelinien, hat sich so gut wie nichts verändert. Welcher Geniestreich gerade die 1863 erdachte Abseitsregel war, zeigt die Tatsache, dass sie noch immer existiert. Weil es so schwer zu kontrollieren ist, würde die Fußball-Industrie das Abseits lieber heute als morgen abschaffen. Doch dann wäre Fußball eine langsame, statische, vorhersehbare Angelegenheit. Eine Abseitsstellung aber ist keine Frage von Zentimetern.

Was zählt, ist der Geist der Regel. Und diesen Geist kann kein elektronischer Supervisor kontrollieren.

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