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© dpa

Viele Ausfälle: Herthas Gerüst wackelt

Hertha BSC zeigt beim 1:1 in Bielefeld, dass das Team die vielen Ausfälle nicht kompensieren kann. Leandro Cufré, vor zehn Tagen vom AS Monaco verpflichtet, gab ein denkwürdiges Debüt - ein denkwürdig schlechtes.

In seinem zweiten Spiel für seinen neuen Arbeitgeber erlebte auch Leandro Cufré den Initiationsritus für jeden Hertha-Profi. Eine knappe Viertelstunde war vorüber, Andrej Woronin hatte den Berliner Fußball-Bundesligisten gerade 1:0 gegen Arminia Bielefeld in Führung gebracht, da wurde der Argentinier, mitten in dem ausschweifenden Jubel über Herthas Tabellenführung, von Trainer Lucien Favre zur individuellen Nachschulung an die Seitenlinie gebeten. So etwas kennen die Spieler bei Hertha schon. Favre nimmt dann seinen Notizblock, malt ein paar Striche aufs Papier und erklärt, was er sehen will. Bei Leandro Cufré blieb das taktische Repetitorium ohne die erwünschte Wirkung. 

Favre: „Es ist alles neu für ihn, er braucht Zeit“

Der Argentinier, vor zehn Tagen vom AS Monaco verpflichtet, stand bei Herthas 1:1 in Bielefeld zum ersten Mal in der Startelf. Es war ein denkwürdiges Debüt – ein denkwürdig schlechtes. Cufré lieferte sich auf der rechten Seite einen absurden Wettstreit mit Patrick Ebert, wer wohl mehr Fehler einstreuen könne. Der Neuzugang entschied das Duell mit klarem Abstand für sich, zur Pause wurde Cufré dann ausgewechselt. „Es ist alles neu für ihn, er braucht Zeit“, sagte Favre. „In der Bundesliga wird ein anderer Fußball gespielt als in Frankreich.“

Cufré leistete nicht die leiseste Gegenwehr beim 1:1

Schon in der siebten Minute ließ Cufré sich von Thorben Marx veräppeln. Der Bielefelder legte den Ball rechts an ihm vorbei, während er selbst links in den Strafraum abbog und den Ball dann wieder aufnahm. Bei Wichniareks Tor zum 1:1, das Hertha von der Tabellenspitze holte, leistete Cufré nicht die leiseste Gegenwehr, und im Spiel nach vorne fiel er allenfalls durch übertriebene Lässigkeit auf. Gerade mal 45 Prozent seiner Zuspiele brachte der Argentinier an den eigenen Mann, kein Berliner kam an diesem Abend auf einen annähernd so schlechten Wert. „Es ist nicht gut gelaufen“, sagte Cufré, immerhin habe er auf einer ungewohnten Position spielen müssen – nicht rechts in der Viererkette, sondern etwas vorgezogen vor der Abwehr im Mittelfeld.

Favres Taktik, ein 3-4-2-1, war aus der Not geboren. Wieder einmal. Aus der Stammelf fehlte mit Arne Friedrich, Pal Dardai, Gojko Kacar und Marko Pantelic fast die komplette Mittelachse. „Man kann erahnen, dass Hertha nicht umsonst auf Platz zwei steht, wenn die Mannschaft komplett ist“, sagte Bielefelds Trainer Michael Frontzeck. Doch Hertha ist schon lange nicht mehr komplett. Das Spiel in Bielefeld zeigte, dass die Berliner in der aktuellen personellen Besetzung die Grenze ihres Wachstums erreicht haben.

Steve von Bergen: „Wir hatten Mühe, uns zu finden“

Die klare taktische Ordnung, die Favre seiner Mannschaft in nun anderthalb Jahren eingebimst hat, hat vieles kompensieren können. Sie funktioniert bis zu einem gewissen Grad personenunabhängig. Aber eben nur bis zu einem gewissen Grad. Gegen die Arminia hatte Hertha zu viele Schwächelnde im System: Cufré und Ebert, dazu die beiden irrlichternden Ersatzverteidiger von Bergen und Kaka und den wieder einmal weitgehend unsichtbaren Raffael. „Wir hatten Mühe, uns zu finden“, sagte Steve von Bergen. Der Aufschwung der Berliner gilt einer breiteren Öffentlichkeit immer noch als Ding der Unmöglichkeit. Dabei wird leicht übersehen, dass die vermeintlich mittelmäßig besetzte Hertha neben der klaren Ordnung auch ein paar herausragende Individualisten besitzt: Drobny im Tor, die beiden stoischen Innenverteidiger Friedrich und Simunic, im Mittelfeld den formidablen Brasilianer Cicero, den unnachahmlichen Kacar und, als ausgleichendes Element, den in jeder Hinsicht klaren Maximilian Nicu, dazu im Sturm die Diva Marko Pantelic und Woronin, der in Bielefeld eines seiner besten Spiele für Hertha bestritt.

Nächsten Sonnabend spielt Hertha gegen Bayern München

Selbst das stärkste Gerüst fängt irgendwann an zu wackeln, wenn man Stange auf Stange aus ihm herauslöst. Am kommenden Wochenende, im Spitzenspiel gegen die Bayern, wird Friedrich wohl wieder spielen können, dafür fällt Cicero aus, der auf der Alm zum fünften Mal in dieser Saison Gelb sah. „Das zentrale Mittelfeld ist ein Problem“, sagte Favre. Schon in Bielefeld kippte das Gleichgewicht zwischen Leistungsträgern und Mitläufern. Falsche Bescheidenheit war es jedenfalls nicht, als Lucien Favre nach dem Spiel über das Unentschieden gegen den Tabellenvierzehnten sagte: „Ich bin nicht unzufrieden.“

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