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Futur I geht, Futur II kommt. Das Berliner Olympiastadion erlebt mit der Einwechslung von Youssoufa Moukoko für Erling Haaland einen sporthistorischen Moment.

© imago images/Matthias Koch

Der BVB-Stürmer erledigt Hertha BSC im Alleingang: Moukoko? Haaland!

Alle Welt redet von Youssofa Moukoko, der mit gerade 16 für Borussia Dortmund in der Bundesliga debütiert. Doch dann stiehlt ihm Erling Haaland die Show.

Lucien Favre kann einfach nicht anders, als Lucien Favre zu sein. Selbst wenn nur noch fünf Minuten zu spielen sind und die eigene Mannschaft dank einer 5:2-Führung einem sicheren Sieg in der Fußball-Bundesliga entgegenstrebt. Als der Trainer von Borussia Dortmund am Samstagabend bei Hertha BSC von seiner letzten Wechseloption Gebrauch machte, gab er dem Einwechselspieler ausführliche Instruktionen. Er hielt ihm einen Zettel mit den unvermeidlichen taktischen Instruktionen vor die Nase. In Favres Gesicht stand der heilige Ernst, seine Augen waren groß wie Tischtennisbälle.

Dem sporthistorischen Moment schien die Aufregung des Schweizers durchaus angemessen. Es war Youssoufa Moukoko, der zur Einwechslung bereitstand, sechzehn Jahre und einen Tag alt und damit seit Samstag nicht nur der jüngste Bundesligaspieler der Geschichte, sondern wohl tatsächlich aller Zeiten.

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Eine ganze Woche und noch viel mehr war nur über diesen Moment geredet und berichtet worden, über das Wunderkind Moukoko und den Beginn seiner mutmaßlich glänzenden Karriere. „Keiner hat ihn spielen sehen, aber alle haben über ihn geredet“, sagte Favre, der eigentlich gar nicht gewillt war, die Erwartung des Publikums zu erfüllen und Moukoko bereits bei der ersten sich bietenden Gelegenheit zum Profidebüt zu verhelfen. „Aber das Spiel war ohne Gefahr für uns“, sagt er. „Mein Instinkt hat entschieden, einfach so.

Dass die ohnehin überbordende Aufregung nicht noch mehr hochkochte, lag vor allem an dem Spieler, den Favre für Moukoko vom Feld holte. Erling Haaland schaute ein wenig irritiert, als er neben seinem Trainer die Seitenlinie überquerte. Er wäre wohl liebend gern auf dem Feld geblieben, gern auch mit Moukoko, von dem er später sagte, er sei „das größte Talent der Welt“. Aber Favre hatte eine andere Eingebung: „Erling will immer Tore schießen. Er hatte schon vier. Es genügte.“

Haaland braucht eine Viertelstunde für seinen Hattrick

Wenn Moukoko die Zukunft ist, was ist dann Haaland? Der Norweger ist auch erst 20 und zusammen mit Moukoko nur ein paar Tage älter als Herthas Ersatztorhüter Rune Jarstein alleine. Es dürfte also noch einige Gelegenheiten geben, in denen Futur I und Futur II gemeinsam auf dem Platz stehen. Für die Gegner des BVB ist das keine besonders vergnügliche Aussicht - zumal schon Haaland allein eine kaum zu bewältigende Herausforderung darstellt.

Das musste am Samstag auch Hertha BSC feststellen. In etwas mehr als einer Viertelstunde machte Dortmunds Stürmer aus dem 0:1-Pausenrückstand mit seinem Hattrick ein 3:1. Später beendete er mit seinem vierten Tor, unmittelbar nach Herthas Treffer zum 2:4, die letzten Zweifel am Sieg der Dortmunder. „Er ist uns momentan eine verdammt große Hilfe“, sagte sein Kollege Julian Brandt.

„Er ist einfach ein Killer vor dem Tor“, sagte Bruno Labbadia

Im Januar ist Haaland aus Salzburg zum BVB gekommen. 22 Bundesligaspiele hat er seitdem bestritten und dabei 23 Tore erzielt. In den vergangenen acht Begegnungen war er immer an mindestens einem Treffer beteiligt, von den 21 Toren seiner Mannschaft in diesen Partien erzielte er 12. „Er ist einfach ein Killer vor dem Tor“, sagte Herthas Trainer Bruno Labbadia.

Wie eine Naturgewalt ist Haaland über die Bundesliga gekommen. Die Folgen können verheerend sein. Joshua Kimmich vom FC Bayern München hat jüngst versucht, einen Konter der Dortmunder mit einem Foul an Haaland schon an der Mittellinie zu unterbinden. Dabei verletzte sich Kimmich so schwer, dass er operiert werden musste und wochenlang ausfällt.

Haaland vereint Wucht und Dynamik, Gefühl und Gewalt, paart seinen Instinkt mit einer unbändigen Geilheit auf Tore und beherrscht die engen Räume genauso wie die Tiefe hinter einer hoch aufgerückten Abwehrkette. Bruno Labbadia, früher selbst ein erfolgreicher Angreifer, hält den Norweger damit für „auf seine Art besonders“. Herthas Trainer hatte seine Spieler akribisch auf Haaland und seine Stärken vorbereitet, trotzdem wirkten sie in der zweiten Halbzeit mit der Aufgabe, ihn zu stoppen, schlicht überfordert.

„Er hat die Tore sehr schön gemacht, auch wenn es für uns hart ist“, sagte Labbadia, der voller Hochachtung über Haaland sprach. „Ich habe das Gefühl, dass er alles dafür tut, ein besserer Spieler zu werden.“ In dieser Hinsicht kann vermutlich selbst das größte Talent der Welt noch einiges von ihm lernen.

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