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Auf dem Sprung. Anders Jacobsen.

© AFP

Vierschanzentournee: Das unverhoffte Duell

Anders Jacobsen wollte schon aufhören mit dem Skispringen, nun ist er bei der Vierschanzentournee Gregor Schlierenzauers größter Gegner.

Nein, auf dem Skispringer Gregor Schlierenzauer lastet überhaupt kein Druck. „Von den Erfolgen her habe ich außer einer olympischen Einzel-Goldmedaille alles geholt, deshalb bin ich recht locker und kann gewisse Situationen besser einschätzen“, sagt der 22 Jahre alte Österreicher, der im Vorjahr die Vierschanzentournee gewonnen hat. Seine Körpersprache und die Miene seines Cheftrainers Alexander Pointner im Mannschaftshotel von Garmisch-Partenkirchen wirkten allerdings alles andere als locker. Sie drückten nach dem Neujahrsspringen vielmehr das aus, was der Platz zwei für beide bedeutet hat: die nächste Niederlage.

Gregor Schlierenzauer will bei der aktuellen Vierschanzentournee gerne seinen Sieg aus dem Vorjahr wiederholen. Es sieht eigentlich auch gar nicht schlecht aus für ihn, er ist als Gesamtweltcupführender der konstanteste aller Springer und hat in den ersten beiden Springen herausragende Leistungen gezeigt. Doch plötzlich springt einer noch besser, den vor Tourneebeginn kaum einer auf der Rechnung hatte: der Norweger Anders Jacobsen. Vor dem heutigen dritten Springen der Vierschanzentournee in Innsbruck (13.45 Uhr, live in der ARD) hat sich der Kampf um den Tourneesieg zu einem Duell zwischen Jacobsen und Schierenzauer entwickelt. Der Norweger führt mit 12,5 Punkten Vorsprung vor dem Österreicher. Der Drittplatzierte Tom Hilde aus Norwegen liegt mit 26,1 Punkten hinter Platz zwei schon verhältnismäßig weit zurück.

Anders Jacobsen hat sogar weiterhin die Chance, erstmals nach Sven Hannawald in der Saison 2001/2002 alle vier Springen der Tournee zu gewinnen. Die Gedanken dazu weist er jedoch weit von sich, das könnte ihm ja so etwas wie Druck auferlegen. Und Druck jeder Art, das klingt im Skispringen besonders logisch, wirkt wie eine zusätzliche Last. Also hat, wenn Gregor Schlierenzauer schon keinen Druck hat, Anders Jacobsen schon gleich überhaupt keinen Druck.

„Ich habe alles, eine Frau und ein Kind und ein schönes Zuhause und ich werde auch nach der Tournee eine Frau, ein Kind und ein schönes Zuhause haben – egal auf welchem Platz ich lande“, sagte der 27 Jahre alte Norweger. Zumal er die Vierschanzentournee in der Saison 2006/07 auch schon gewonnen hat, damals völlig überraschend vor Gregor Schlierenzauer. Doch Jacobsen war vor mehr als einem Jahr alles andere als entspannt gewesen.

Der gelernte Klempner hatte in der vergangenen Saison pausiert, wollte sogar Aufhören mit dem Skispringen. „Ich hatte genug davon, vor allem vom vielen Reisen“, berichtet Jacobsen. „Ich wollte die Freude am Skispringen und die Freude am Leben wiedergewinnen.“ Er widmete sich seiner Familie und nahm an der norwegischen Version der Fernsehshow „Let’s dance“ teil. Darin musste er erst nach einer Verletzung passen. In seiner Auszeit aber entdeckte er seine Liebe zum Skispringen neu.

Womöglich auch, weil in Alexander Stöckl ein neuer Trainer das norwegische Team betreut. „Mika Kojonkoski hat viel Wert auf Ergebnisse gelegt“, berichtet Jacobsen. Es klingt wie: zu viel Wert. An Stöckls Trainingsmethodik, der mehr Wert auf Athletik legt, musste sich Jacobsen erst gewöhnen. „Aber es fällt leichter, wenn man merkt, dass man damit weiter springt“, sagt er. Das alles addiert mit einem neuen Ski und einem neuen Schuhmodell macht die überraschenden Erfolge Anders Jacobsens aus. „Er ist bei der Tournee geflogen wie ein Engel“, sagte der deutsche Bundestrainer Werner Schuster, „und er weiß, wie man gewinnt.“

Das weiß freilich Gregor Schlierenzauer auch. Der Österreicher setzt in den letzten beiden Springen auf den Heimvorteil. „Es ist auch ein Riesenvorteil, wenn man mal zu Hause sein kann“, sagt Schlierenzauer, der in der Gemeinde Fulpmes bei Innsbruck wohnt. „Man kommt ein bisschen aus dem Trott raus und denkt etwas anderes.“ Heute am Fuße der Bergisel-Schanze und auch am Sonntag beim abschließenden Springen in Bischofshofen erwartet ihn ein rot-weiß-rotes Fahnenmeer. Allerdings könnten die 22 150 Zuschauer im ausverkauften Bergisel-Stadion mit ihren hohen Erwartungen auch zu einer Belastung werden. Doch Druck, den will Gregor Schlierenzauer überhaupt nicht verspüren.

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