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Siegertyp. Kamil Stoch freut sich über den goldenen Adler für den Tournee-Gesamtsieg.

© Daniel Karmann/dpa

Vierschanzentournee: Kamil Stoch ist der Killer aus Zakopane

Kamil Stoch gehört zu den fünf besten Skispringern aller Zeiten. Der Pole besticht durch Zurückhaltung und Nervenstärke - dabei gilt er auch als Tollpatsch.

Der Start in die Skisprung-Karriere war für Kamil Stoch ziemlich kompliziert. Als Bub hatte er bei seinem ersten Sprung einen viel zu großen Helm bekommen, der ihm in der kurzen Luftfahrt über die Augen rutschte. Im Blindflug schaffte der kleine Kamil irgendwie trotzdem eine Landung. Wahrscheinlich war das ein erster kleiner Fingerzeig auf sein außergewöhnliches Talent fürs Fliegen, das er bei dieser Vierschanzentournee wieder einmal unter Beweis stellte. Dabei trug sich der Pole Stoch in die Geschichtsbücher des Skispringens ein: Als zweiter Flieger nach Sven Hannawald vor 16 Jahren glückte ihm der Grand-Slam mit Siegen in allen vier Springen bei der seit 1953 stattfindenden Tournee.

"Das Talent hat mir Gott gegeben. Aber um erfolgreich zu sein, musste ich immer hart arbeiten", hat Stoch in diesen Tagen der Tournee gesagt. Bundestrainer Werner Schuster hat Stoch einmal etwas despektierlich den "Killer aus Zakopane" genannt. Er meinte damit die unglaubliche Nervenstärke und Kaltschnäuzigkeit, mit der Kamil Stoch bei Großereignissen agiert. Doppel-Olympiasieger von 2014, zweimal Weltmeister, Gesamtweltcupsieger und Tourneesieger: Dieses Titelquartett haben nur fünf der größten Skispringer aller Zeiten gesammelt. Neben Stoch noch Jens Weißflog, Matti Nykänen, Espen Bredesen und Thomas Morgenstern. Mit einem Triumph bei der anstehenden Skiflug-Weltmeisterschaft in Oberstdorf (18. bis 21. Januar) könnte Stoch auch noch den letzten fehlenden Titel auf der Liste abhaken.

Mental stark dank Trainer Horngacher

Im skisprungverrückten Polen ist Stoch ein Volksheld, der mindestens auf einer Stufe mit Bayerns Fußballstar Robert Lewandowski steht. Stochs Social- Media-Accounts folgen etwa eine Million Menschen. Trotzdem ist der 30-jährige Überflieger bodenständig geblieben. Nach jedem Tourneespringen nahm er sich Zeit für die vielen mitgereisten polnischen Fans und bedankte sich ausdrücklich bei seinem Team.

Stoch gibt sich trotz seiner Leistungen aus einer anderen Welt als Otto Normalflieger. Nach dem Triumph in Innsbruck sagte er: „Ich will jetzt baden, gut essen und schlafen. Ich lese gerade ein Abenteuerbuch. Ich höre Musik, spiele Karten wie jeder Mensch. Ich versuche, außerhalb der Tournee ganz normal zu leben.“ Zuhause putzt und kocht er, allerdings nicht immer unfallfrei, wie Stoch zugibt: „Ich bin daheim ansonsten ein Chaot und totaler Tollpatsch. Ständig fällt mir etwas herunter.“

Auf der Schanze fliegt er dagegen als perfekte Kombination aus Absprungkraft und Flugkunst weiter als alle anderen. Mental hat Stoch einen Weg gefunden, alle störenden Einflüsse auszublenden. „Ich konzentriere mich nicht auf den Gegner oder hier bei der Tournee darauf, dass ich alle vier Springen gewinnen will“, sagt er. „Ich denke an mich und wie ich am besten Skispringen kann. Das ist schließlich der schönste Sport der Welt.“ Diese gelassene Einstellung ist auch ein Verdienst des polnischen Cheftrainers Stefan Horngacher. Der ehemalige deutsche Co-Bundestrainer hat Stoch beigebracht, gelassener zu werden und Dinge nicht erzwingen zu wollen. So gewann der Überflieger nach vielen enttäuschenden Anläufen im letzten Jahr erstmals die Tournee.

Stochs Frau ist auch seine Managerin

Großen Rückhalt schöpft Kamil Stoch auch aus der Ehe mit seiner Frau Ewa, die zugleich seine Managerin ist. „Mein größter Erfolg ist mein privates Glück. Meine Frau hilft mir, mich selbst zu verwirklichen“, sagt Stoch. Das Ehepaar verdient mit der eigenen Bekleidungslinie „Kamiland“ richtig viel Geld. Insgesamt werden seine Jahreseinnahmen auf etwa eine Million Euro geschätzt. Dabei bringt ein Tourneesieg zum Beispiel nur 20 000 Schweizer Franken plus einen goldenen Adler als Trophäe ein.

Trotz aller Erfolge hat Kamil Stoch allerdings noch einen großen Wunsch offen, den er sich unbedingt erfüllen möchte: Nach dem Ende seiner Karriere will er – wie die Skisprung-Olympiasieger-Kollegen Simon Ammann und Thomas Morgenstern – den Pilotenschein machen. Damit Stoch nach seinen fliegerischen Glanzleistungen bei dieser Tournee auch mal eine längere Luftfahrt genießen kann. Dann mit passendem Helm.

Lars Becker

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