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Sport: Vierstelliger Stürmer

Romario will heute in Brasilien das tausendste Tor seiner Karriere schießen

Es gibt im Fußball einen sehr exklusiven Klub. Nicht einmal Fußballgötter wie Franz Beckenbauer, Johan Cruyff oder Diego Maradona sind dort Mitglied. Auch aktive Stars wie Ronaldo oder Ronaldinho sind nicht dabei. Und werden es wohl auch nie sein. Die Rede ist vom Klub der 1000-Tore-Schützen. Arthur Friedenreich, Sohn eines Deutschen und einer Brasilianerin, ist gewissermaßen das Gründungsmitglied, 1329 Tore soll der 1892 in Sao Paulo geborene Stürmerstar in seiner Karriere in Brasilien geschossen haben.

Ihm folgte der Österreicher Franz Binder. Der unter dem Spitznamen „Bimbo“ in den 1930er Jahren bekannte bullige Angreifer von Rapid Wien hat mit seinen 1151 Treffern ebenfalls das Aufnahmekriterium erfüllt. Dann erwarb in den 60er Jahren wiederum ein Brasilianer die Mitgliedschaft. Im Alter von 29 Jahren erzielte Pelé am 19.11.1969 im Maracana-Stadion in Rio de Janeiro per Elfmeter seinen Treffer Nummer 1000. Am Ende seiner Karriere waren es 1281 Tore, die der Weltfußballer des 20. Jahrhunderts in seinem imaginären Klubausweis eingetragen hatte.

Auf den Brasilianer folgte ein Deutscher: Gerd Müller. Der Bayern-Historiker Walter Grüber hat genau gezählt. 1497-mal hat der 1,76 Meter kleine Mittelstürmer den Ball im gegnerischen Netz zappeln lassen. Getroffen hat er als Jugendlicher für den TSV Nördlingen und als Profi für den FC Bayern München, für die deutsche Nationalmannschaft und am Ende seiner Karriere für die Fort Lauderdale Strikers und Smith Brother Lounge in den USA. Gezählt hat Grüber die 365 Tore in der Bundesliga genauso wie die 68 Treffer im Nationaltrikot. Und auch die fast 700 Tore, die Müller in Freundschaftsspielen erzielt hat. Mehr Tore als Müller hat niemand geschossen.

Nun ist es wieder ein Brasilianer, der sich um Aufnahme in den Klub bemüht. Er ist mit seinen 1,69 Meter noch kleiner als Gerd Müller. Aber im gegnerischen Strafraum ist der liebevoll „Baixinho“ („Der Kurze“ oder „Der Kleine“) genannte Romario ebenso kühl und abgeklärt. Am 29. Januar ist er 41 Jahre alt geworden und hat wiederholt seinen innigsten Wunsch geäußert: „Ich will nach Pelé der erste Brasilianer sein, der 1000 Tore geschossen hat.“ 987 Tore standen vor seinem Geburtstag auf dem Konto. Seitdem hat er in acht Spielen elf Treffer draufgelegt. Dreimal hat der schon leicht grauhaarige Romario innerhalb von fünf Wochen einen Hattrick in der Regionalmeisterschaft von Rio de Janeiro erzielt. Auf einmal scheint es „Baixinho“ eilig zu haben. Sein Traum wäre es, an diesem Sonntag im Maracana-Stadion gegen seinen Ex-Klub Flamengo seine Tore Nummer 999 und 1000 zu schießen. Am gleichen Ort wie einst Pelé.

Doch die Meinungen in Brasilien über Romarios Rekord sind geteilt. Es wird diskutiert, ob all die Tore, die Romario anführt, auch zählen. An den 165 Treffern im Trikot von PSV Eindhoven, den 53 Toren für den FC Barcelona und den 14 Toren für den FC Valencia hegt niemand Zweifel. Auch die 71 Tore im gelben Trikot der Selecao stehen außer Zweifel, ebenso wie die Tore für drei Vereine aus Rio: 204 Tore für Flamengo, 48 für Fluminense und aktuell 319 für Vasco da Gama. Anerkannt sind auch die Treffer in den USA (22 für den FC Miami) und in Australien (einer für Adelaide United).

Die Diskussion dreht sich um die Tore, die er als Jugendlicher und in Freundschaftsspielen geschossen hat. Nach den Regeln des Weltverbandes Fifa würden Romario viele Treffer aberkannt. Auch Gerd Müller, Pelé und Arthur Friedenreich würden bei dieser Zählweise einen Großteil ihrer Tore einbüßen. Jetzt hat der Romario-Spezialist Severino Filho nachgezählt. In offiziellen Partien in anerkannten Wettbewerben kamen immerhin 716 Treffer zusammen. Und Pelé hat demnach auch nur 720 Tore. Das kann Romario noch locker schaffen.

Frank Kohl[Sao Paulo]

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