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Es heißt Portugal, nicht Ronaldo. So jedenfalls die offizielle Version.

© AFP

Viertelfinale gegen Tschechien: Ronaldo ist nicht alles für Portugal

Gegen Holland im letzten Gruppenspiel hat Cristiano Ronaldo endlich überzeugen können. Dabei haben die Portugiesen bewiesen, dass sie unabhängig von ihrem Superstar über eine schlagkräftige Mannschaft verfügen.

In Charkiw, nach dem großartigen Sieg über Holland, haben sie ein Lied für Cristiano Ronaldo gespielt. Bisschen Gitarre, wenig Rhythmusmaschine, ganz nett anzuhören, der Refrain recht einfach, er reduzierte sich auf den Namen des Helden. Paulo Bento war glücklicherweise schon in der Kabine, sonst wäre er dem Mann am Pult der Stadionregie wahrscheinlich persönlich an den Hals gegangen. „Es heißt nicht RO-NAL-DO, sondern POR-TU-GAL. Sacas!?“, verstehst du?

Paulo Jorge Gomes Bento steht der portugiesischen Nationalmannschaft als Trainer vor. Der Fußballspieler Bento war keineswegs untalentiert, Mitglied der Nationalmannschaft bei der EM 2000 und der WM 2002. Aber eben auch keiner, der den Glanz der großen weiten Fußballwelt ausstrahlte. Ein braver Arbeiter, er hielt den Koryphäen Luis Figo oder Manuel Rui Costa den Rücken frei und nichts war ihm so heilig wie der Mannschaftsgedanke.

Wahrscheinlich hätte Portugal keinen besseren Trainer finden können als diesen Paulo Bento, das Gegenstück zu Cristiano Ronaldo und zugleich dessen erster Verteidiger, wenn die Nervensägen von „A Bola“ und „Record“, den portugiesischen Sportblättern, mal wieder ankommen und über die vermeintlich schwach ausgeprägte vaterländische Gesinnung des weltbesten Stürmers lamentieren.

„Ich kann das nicht mehr hören“, knurrt Bento. Und: „Bestimmt gibt es jetzt bei uns zu Hause wieder Leute, die das Messer schleifen und tschechische Schals kaufen. Das sind die Leute, die lieber erwähnen, dass Ronaldo zwei Torchancen vergeben hat. Und vergessen, dass er zwei Tore geschossen hat. Die freuen sich einfach nicht. Das ist typisch Portugal!“ Die tschechischen Schals werden heute in Warschau zu sehen sein, im Viertelfinalspiel der Portugiesen gegen den Überraschungsersten der Vorrundengruppe A. Eine Mannschaft, deren hervorstechende Eigenschaft der Kollektivgedanke ist. Also ziemlich genau das Gegenteil von Portugal, wo alles von Cristiano Ronaldo spricht und wenig über den Rest.

Senhor Bento weiß, was er an Cristiano Ronaldo hat. Den wahrscheinlich besten Stürmer, den vielleicht besten Fußballspieler der Welt. Aber er weiß auch, dass die Reduzierung der Seleccao auf Ronaldo dieser so wenig hilft wie Ronaldo. So wie es der Seleccao und Ronaldo auch nicht geholfen hat, dass das Spiel zuletzt bei der Weltmeisterschaft 2010 allein auf den Alleinunterhalter von Real Madrid zugeschnitten war. Bentos Vorgänger Carlos Queiroz inszenierte sich gern als weltmännischer Plauderer, der im Zweifelsfall die Schuld an Misserfolgen an die Mannschaft weiterdelegierte. Als Portugal im WM-Achtelfinale an den iberischen Brüdern aus Spanien scheiterte, ließ Ronaldo ausrichten, man möge doch bitte mal beim Trainer nach den Ursachen fragen.

Carlos Queiroz war Mentor und Trainer der Goldenen Generation, der Ära um Luis Figo und Rui Costa, Helden einer Zeit, als Portugal zweimal Junioren-Weltmeister wurde, ein großes Versprechen auf die Zukunft, das nie eingehalten wurde. Als die Seleccao am dichtesten dran war, 2004 bei der EM daheim unter dem Brasilianer Luiz Felipe Scolari, da hatte noch die Goldene Generation das Sagen. Luis Figo beanspruchte das Kapitänsamt und die Nummer sieben von Ronaldo sowieso. Als er im EM-Viertelfinale gegen England ausgewechselt wurde, ging er so langsam vom Platz, dass wichtige Sekunden verrannen für die zurückliegenden Portugiesen. Es hat dann doch noch gereicht, aber Figos Vaterlandsliebe war erstmals infrage gestellt. So wie das bei Cristiano Ronaldo alle paar Wochen geschieht, warum auch immer.

Das heißt: Zurzeit können die Portugiesen wieder ganz gut mit ihm. Das großartige Spiel gegen die Holländer im letzten Gruppenspiel von Charkiw hat alle Ronaldo-Kritiker zu Ronaldo-Fans gemacht. Und kaum einer will sehen, dass Portugal vor allem deswegen so gut funktioniert, weil es eben kein Jubel-Ronaldo-Verein ist. Sondern eine Mannschaft, die Ronaldos Vorzüge am besten zur Geltung bringt. Das beginnt bei der von Ronaldos Madrider Kumpel Pepe angeführten Innenverteidigung, führt weiter über ein Mittelfeld, das so taktisch diszipliniert spielt wie kaum ein anderes bei dieser EM. Und endet bei Nani, dem kongenialen Counterpart zum Linksaußen Ronaldo auf der rechten Seite. „Es heißt nicht RO-NAL-DO, sondern POR-TU-GAL. Sacas!?“, verstehst du?

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