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Nicht zu fassen. Schon beim 2:2 im Hinspiel hatte der Bremer Verteidiger Clemens Fritz seine liebe Mühe mit den Antritten von Gareth Bale (r.).

© pixathlon / Action Images

Sport: Virtuos am Flügel

Der schnelle Gareth Bale ist der neue Star in Tottenham – heute könnte ihm Bremen zum Opfer fallen

Berlin - Der Brasilianer Maicon, keine eineinhalb Stunden zuvor noch einer der besten Rechtsverteidiger der Welt, war sichtlich angeschlagen. „Es war unmöglich, ihn zu kontrollieren“, sagte er mit dünner Stimme und der Respekt für seinen jungen Gegenspieler mischte sich mit einem leichten Schwindel. 90 Minuten lang hatte ihn Tottenhams 21-jähriger Waliser Gareth Bale zum Tanz gebeten. Der Hochgeschwindigkeits-Fußballer im linken Mittelfeld der Londoner war dabei für Inters Verteidiger zu keiner Zeit greifbar. Bereits im Hinspiel im San Siro hatte Bale einen 0:4-Rückstand mit einem Hattrick noch kosmetisch korrigiert, nun inszenierte er die Tore durch Crouch und Pawljutschenko mit Hereingaben von nahezu chirurgischer Präzision. Nach dem Spiel lachte Tottenhams Regisseur Rafael van der Vaart in die Kameras und sagte nur: „Gareth hat Maicon gekillt.“

Clemens Fritz wird genau zugehört haben. Denn heute Abend, wenn Werder Bremen in der Champions League auf Tottenham (20.45 Uhr/live bei Sky) trifft, muss er versuchen, nicht auch zu enden wie Inters Maicon. Als Opfer eines Killers, der abseits des Platzes allerdings eher wie ein schüchterner Konfirmand wirkt. Gareth Bale, den sein Trainer Harry Redknapp als einen „netten Jungen" bezeichnet, steht ungern im Mittelpunkt. Weil er genau weiß, wie schmal der Grat zwischen Erfolg und Absturz ist. Es ist noch gar nicht so lange her, dass Bale nach einer schweren Verletzung um seine Karriere kämpfen musste.

Als er im Mai 2007 aus Southampton nach Tottenham wechselt, gilt Bale, der bereits mit 16 in der walisischen Nationalmannschaft debütierte, als großes Versprechen. Der Durchbruch auch in der Premier League scheint nur eine Frage der Zeit. In den ersten fünf Spielen erzielt er gleich drei Tore, trifft im Derby gegen Arsenal. Doch im Dezember 2007 reißen die Bänder im rechten Sprunggelenk. Bale muss operiert werden, fällt acht Monate aus. Auch das Ende seiner Karriere scheint möglich. Sie hängt an einem Nagel in seinem Knöchel. Bale kämpft, hat aber Schwierigkeiten, sich in die Mannschaft zu spielen. Dazu scheint ein Fluch auf ihm zu liegen. In seinen ersten 24 Premier-League-Spielen für Tottenham gelingt ihm kein Sieg. Selbst Teammanager Harry Redknapp beginnt im Aberglauben zu zweifeln, erlöst Bale aber, indem er ihn gegen Burnley in der 85. Minute beim Stand von 4:0 einwechselt. Tottenham siegt und Bale gelingt es endgültig, das schlechte Karma abzustreifen wie ein zu eng gewordenes Trikot. Der Sieg gegen Burnley ist der Beginn seiner Entwicklung zu einem der aufregendsten Spieler Europas, die gegen Inter ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht hat. Seit dieser rauschhaften Nacht ruhen nun auch in England die Hoffnungen auf dem Waliser. Der Premier League gehen die lokalen Helden aus. Noch vor wenigen Jahren bestimmten Roy Keane, Robbie Fowler oder Paul Gascoigne, Spieler zwischen Genie und Sperrstunde, das Gesicht einer Liga, die nun jedoch wohl unumkehrbar globalisiert worden ist. Da kommt einer wie Bale gerade recht, ein lokaler Künstler ohne Allüren. In den Lobeshymnen für Bale spiegelt sich deshalb auch die Sehnsucht der Fans nach dem britischen Moment im Fußball auf der Insel. Und er ist durchaus in der Lage, sie zu stillen. Auch, weil seine unwiderstehlichen Dribblings, sein virtuoses Flügelspiel aber auch seine Persönlichkeit unweigerlich an Ryan Giggs erinnern, den in die Jahre gekommenen Waliser von Manchester United. Giggs ist Bales großes Vorbild, er wird auf absehbare Zeit in dessen Fußstapfen treten. Für die Engländer liegt aber genau darin eine gewisse Tragik.

Wie bei Giggs leiden sie nun auch bei Bale daran, dass er in Cardiff, auf der falschen Seite der innerbritischen Grenze geboren wurde. Und Bale selbst teilt Giggs' Schicksal, als bester Spieler des kleinen Landes wahrscheinlich nie an einer Welt- oder Europameisterschaft teilzunehmen. Die Champions League ist für ihn als internationale Bühne deshalb umso wichtiger. Bisher hat er sie eindrucksvoll genutzt. Die nächste Tanzeinlage soll nun gegen Bremen folgen.

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