zum Hauptinhalt

Sport: Vitamine vom Trainer

Eine Studie beleuchtet das Doping in der DDR

Berlin - Der junge Sportler hatte eine Praline bekommen. Aber diese Praline hatte Einstiche, als hätte sie jemand mit einer Spritze manipuliert. Gut möglich, dass Anabolika injiziert worden waren oder andere Dopingmittel. Der junge Sportler, der die Praline essen musste, wurde ein Opfer des DDR-Dopings. Eines von insgesamt 52 Opfern des berüchtigten Staatsplans 14.25. Das Opfer wurde für eine Dokumentation der Humboldt-Universität interviewt.

Die Geschichte mit der Praline erzählte der Athlet der früheren Kugelstoßerin Birgit Boese, selbst ein Dopingopfer. Sie erstellte mit dem Sporthistoriker Giselher Spitzer und dem Sportwissenschaftler Elk Franke von der Humboldt-Universität eine Dokumentation über die Leiden von DDR-Dopingopfern.

Gestern wurde die Studie vorgestellt; viele der Ergebnisse waren bereits bekannt, andere, vor allem medizinische Statistiken, sind neu und zugleich erschreckend. Die Aussagen sind anonym, aber das nimmt ihnen nichts von ihrer dramatischen Wirkung. Der Druck, ominöse Pillen zu nehmen, war zum Beispiel enorm. „Mir hat sie die Wahl gelassen, entweder ich nehme oder ich bin ab“, sagte ein Opfer. Sie, das war wohl die Trainerin. Üblicherweise hörten die Opfer ohnehin nur, es handele sich um Vitamine. Und wer sich trotzdem weigerte, „der erhielt entweder eine gescheuert“ (Boese), oder er flog gleich aus dem Sport. „Am nächsten Tag musste ich dann schon die Toiletten sauber machen“, erzählte ein Opfer.

Es ist keine repräsentative Studie, das stellten die Opfer klar, andererseits dürften nahezu alle DDR-Dopingopfer die gleichen Erfahrungen gemacht haben. Das System galt ja republikweit und war zentralistisch gesteuert. Überraschend war für Spitzer, dass 90 Prozent der Opfer erklärten, Trainer hätten ihnen die Dopingmittel gegeben. Eigentlich war das ja Sache der Ärzte. Und die Hälfte dieser Opfer war jünger als 14 Jahre, als sie erstmals gedopt wurden.

Die Taten sind verjährt, die Täter teilweise wieder in Amt und Würden, doch die Opfer stehen noch immer da mit ihren enormen gesundheitlichen Problemen. 22 Opfer klagten über Probleme im Bewegungsapparat, zwölf über Essstörungen. Die Hälfte der befragten 24 Frauen hatte gynäkologische Erkrankungen, zehn Frauen litten unter vermännlichenden Veränderungen wie einer tiefen Stimme, Bartwuchs oder breiten Schultern. Drei Frauen hatten Totgeburten, fünf Frauen insgesamt zwölf Fehlgeburten. Birgit Boese selber leidet unter Herzrhythmusstörungen und hat die Wirbelsäule einer 80-jährigen Frau. Birgit Boese ist 44 Jahre alt.

Zur Startseite