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Sport: Völlig verbeult

Beim HSV werden wahlweise der Vorstand, der Trainer oder die Mannschaft für den Niedergang verantwortlich gemacht

Von Karsten Doneck, dpa

Zurzeit geht aber auch alles schief beim Hamburger SV. Da lief Trainer Thomas Doll nach dem Spiel mit einem zigarrettenschachtelgroßen weißen Pflaster auf der Stirn herum – Sinnbild für einen verbeulten HSV? Er sei gegen eine Kabinentür gelaufen, teilte Doll mit. Er nahm das Missgeschick nicht tragisch: „Meine Gedanken habe ich ja noch alle beisammen.“ Erstaunlich, dass ihm das Scherzen noch nicht vergangen ist. Mit dem 0:0 gegen den 1. FC Nürnberg am Samstag hat der HSV erstmals in 43 Jahren und 107 Tagen Bundesliga-Dasein eine Hinrunde ohne einen einzigen Heimsieg abgeschlossen.

Das neunte Unentschieden des HSV im 16. Saisonspiel lieferte dann auch nur einen neuen Beweis dafür, dass die Hamburger derzeit nicht besser sind als ihr Tabellenplatz, der vorletzte. In solchen Notlagen geht zwangsläufig die Suche nach den Schuldigen los. Je nach Sichtweise wird beim HSV mal dem Trainer, mal dem Vorstand oder der Mannschaft und mitunter auch einzelnen Spielern wie Sanogo oder zuletzt Atouba die Krise angelastet. Dabei lassen sich die Probleme gar nicht an einzelnen Personen festmachen. Bernd Hoffmann, der Vorstandschef, steckt jetzt die Schläge dafür ein, dass er nach der vorigen Saison die erfolgreiche Innenabwehr mit van Buyten und Boulahrouz zu anderen Klubs ziehen ließ. Aber welche Vorwürfe wären Hoffmann wohl auf der heutigen Mitgliederversammlung für die Finanzlage des HSV gemacht worden, wenn die beiden Spieler nicht verkauft worden wären?

Und Thomas Doll? Acht Stammspieler fehlten ihm gegen Nürnberg, darunter Leistungsträger wie van der Vaart, Sorin, Kompany und Demel. Ein Hamburger Journalist baute Doll nach dem Spiel goldene Brücken, als er ihn bat, er möge doch mal die Personalsituation als Begründung für die Misere heranziehen. Doll zierte sich lange. „Trotzdem wären wir dazu in der Lage gewesen, sieben oder acht Punkte mehr zu holen“, sagte er dann. „Ich werde mich doch hüten, die anderen, die jetzt bei uns für die fehlenden Spieler einspringen müssen, herabzustufen. Wir haben auch gute Leute dahinter.“

Bedenklich stimmt allerdings, wenn – wie gegen Nürnberg – der 28 Jahre alte Regionalligaspieler Volker Schmidt bei seinem Bundesligadebüt zu den Besten und Engagiertesten in einer holprig dahinkickenden HSV-Elf gehört. „Der bleibt dabei“, kündigte Doll nachher an. Dennoch bildet die Mannschaft des HSV kein homogenes Ganzes. Von Hamburgs Boulevardpresse als „Söldnertruppe“ beschimpft, hatten die HSV-Profis zugegebenermaßen bislang auch wenig Gelegenheit zusammenzufinden. Verletzungsbedingte Ausfälle und Sperren führten dazu, dass der HSV noch keine zwei Bundesligaspiele hintereinander in der gleichen Besetzung bestritten hat.

Thomas Doll bleibt dennoch guter Dinge. „Wer uns abschreiben will, der soll das nicht zu früh tun“, rät er den Kritikern.

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